(Johann) Peter (Theodor) Janssen (1844-1908), klicken Sie hier für seinen Lebenslauf

 

Hier klicken, um zum Anfang zurückzukehren!

Peter Janssen – eine zeitgenössische Biografie
von Professor Ludwig Pietsch – Berlin
Quelle: Vellhagen & Klasings Monatshefte,
XVI. Jahrgang 1901/1902. Heft 2, Oktober 1901.

Klicken Sie hier für eine Übersicht zu allen Inhalten dieser Website

 

© 2008 Stephan Kotthaus

aktualisiert:07.12.2008

 


zurück...              Hier klicken für die Biografie als komplettes Dokument.

Wenn Janssens Haupttätigkeit auch während jener Jahre in der Ausführung der großen Wandmalereien bestand, so hatte er darum die Staffelmalerei keineswegs vernachlässigt.

Zur Überraschung vieler, welche die umfassende Größe seines malerischen Könnens noch nicht kannten, trat er (auf der Düsseldorfer Kunst- und Gewerbeausstellung im Mai 1880) mit einem lebensgroßen Bildnis in ganzer Figur, dem des alten populären Akademie-Inspektors Holthausen, hervor, das seinem Maler widerspruchslos den uneingeschränkten Ruhm eines der größesten Bildnismaler seiner Zeit erwarb. Nichts Lebens- und Charaktervolleres, nichts größer Aufgefaßtes, nichts mächtiger gemaltes ist in ihr auf diesem künstlerischen Gebiet geschaffen worden, als das Portrait des bärtigen, alten Mannes, der, die Hand auf den Stock stützend, mit zurückgelehntem Oberkörper und vorgestreckten Beinen und Füßen, von sicherem, stolzem Selbstgefühl erfüllt, dem es nicht an einem Beisatz oder Nebenklang von unfreiwilligen Humor fehlt, auf seinem Stuhl dasitzt. Andere bekannt gewordene Bildnisse Janssens von ähnlicher Trefflichkeit sind das, von ihm im Regierungsauftrag gemalte des Feldmarschalls General Herwarth von Bittenfeld und das des greisen und doch so jugendrüstigen Meisters Andreas Achenbach, welches letztere erst 1890 im Auftrage der Stadt Düsseldorf gemalt wurde.

Sechs Jahre hinter der Ausführung dieses Meisterwerkes zurück liegt die eines figurenreichen Ölgemäldes von ungewöhnlich großen Dimensionen durch P. Janssen. Da gestattete er sich es einmal, in der Darstellung der unverhüllten nackten, prächtig erblühten Schönheit, in „Farbenfülle, reinem Rund“, losgelöst von allem Kostümzwang und allen Rücksichten auf geschichtliche Echtheit der Erscheinung, nach Herzenslust zu schwelgen. In einer Komposition mit überlebensgroßen Gestalten in idealer südlicher Landschaft schilderte er die „Erziehung des Bachus“ durch freundliche Nymphen, denen bockfüßige Faune und Satyrn dabei Gesellschaft leisten, jene und den göttlichen Knaben durch Becken- und Flötenklang erheiternd. Diese Nymphengestalten sind warmblütige, von gesundem, kraftvollen Leben erfüllte, prangende Geschöpfe, die in nichts an die zahmen, kühlen, schattenhaften Idealwesen erinnern, als welche die frühere akademische Kunst solche mythologische Persönlichkeiten zu bilden pflegte. Aber eben so frei wie von Kälte und Leblosigkeit, sind Janssens Nacktheiten von Lüsternheit und sinnlichem Raffinement. Echte Kinder eines goldenen Zeitalters sehen wir vor uns, keine entkleideten Modelle, und der Adel der Form verbindet sich mit einem Reichtum, einem leuchtendem Glanz, einer Tiefe und Glut der Farbe, einer Ruhe, Harmonie und Geschlossenheit der Gesamtwirkung, wie man das alles vor Janssen auf Gemälden aus der Düsseldorfer Schule vergebens gesucht haben würde.

Ein anderes Ölbild ähnlichen Umfangs malte er im Auftrag eines patriotischen Bürgers, Herrn Karl Weiler, der es gelegentlich der 1888 veranstalteten Feier des sechshundertjährigen Bestehens Düsseldorfs als Stadt bei P. Janssen bestellt und zur Ausstellung in der Kunsthalle bestimmt hatte. Ein lokalgeschichtliches Ereignis aus dem XIII. Jahrhundert, die Schlacht bei Worringen, nahe bei Köln, in welcher 1288 Herzog Johann von Brabant, die Grafen von Cleve, Berg und Mark, die Kölner und Düsseldorfer Bürger mit vereinten Kräften den Erzbischof Siegfried von Westerburg und den Grafen Reinald von Geldern besiegten und zu Gefangenen machten, war der dem Künstler gegebene Gegenstand – der übrigens schon 49 Jahre früher durch einen berühmten Meister der jungen belgischen Schule der dreißiger Jahre, Ricaise de Kenzer, in einem seiner Zeit viel bewunderten, großen Gemälde behandelt worden war. Für Düsseldorf hat diese Schlacht dadurch eine größere Bedeutung gewonnen, daß der Gemeinde zum Lohne für die kräftige Mitwirkung ihrer Männer  die Stadtrechte verliehen wurden. Janssen wählte als Darstellungsmotiv keine eigentliche Gefechtsszene. Er malte den Führer der Bergischen Bauern, den fanatischen Mönch Walter Dodde, wie er vom Sattel seines Schimmels herab durch seine flammende Rede die ihn umgebenden Scharen begeistert und die wilde Kampflust in ihren Seelen entfacht . Der Fanatismus des Redners und das Auflodern der Leidenschaften in der Brust der im lauschenden, derben, bäurischen mann34 ist in ihren Gesichtern, ihrer Haltung, ihren dabei durchaus natürlichen und untheatralischen Bewegungen zum packenden, energischen Ausdruck gebracht. Und dabei stehen alle diese Gestalten in der Landschaft, allseitig von Licht und Luft umschlossen, körperhaft vor uns da, ohne das der Maler zur Erreichung dieser Wirkung die Mittel scharfer Sonnenbeleuchtung und somit tiefer Schatten- und glänzender Lichtmassen angewandt hätte.

Hier klicken für vergrößerte Ansicht!
Schlacht bei Worringen, 1288 von Peter Janssen, 1893

In dieselben Jahrzehnte, in welchem Janssen diese großen Ölgemälde zu Düsseldorf ausführte, fallen auch seine umfangreichen Arbeiten in dem zur Ruhmeshalle der preußischen Armee umgeschaffenen Berliner Zeughause. Drei aus jener Folge von kolossalen historischen Wandgemälden in Kaseinfarben, mit denen die Hallen des Nordflügels zu beiden Seiten des mittleren Kuppelraumes geschmückt werden sollten, waren dem Düsseldorfer Meister übertragen worden. Den Großen Kurfürsten in der Schlacht bei Fehrbellin hatte das eine, das zweite das Zusammentreffen Friedrichs des Großen mit Zieten nach der Entscheidung der Schlacht bei Torgau, das dritte die Schlacht bei Hohenfriedberg darzustellen. Sie wurden in den Jahren 1884, 1888 und 1890 vollendet.

Hier klicken für vergrößerte Ansicht
Schlacht bei Fehrbellin. Sieg des Kurfürsten über die Schweden 1675

Als das gelungenste will mir das erstgenannte der drei erscheinen. Aber jedes von ihnen ist als Komposition wie in der farbigen Stimmung und Wirkung  den anderen, dort von anderen Künstlern gemalten vaterländischen Kampf- und Siegesschilderungen um ein bedeutendes überlegen, wenn auch nicht den herrlichen symbolischen Gemälden, mit welchen Geseschap die Kuppel, die vier Schildbogen und die Wand-Zwickel der sich in der Mitte jenes Flügels erhebenden Herrscherhalle geschmückt hat.

Bei aller künstlerischen Bedeutung dieser dekorativen Wandgemälde reicht sie doch nicht an die des großen zyklischen Kunstwerks heran, das Janssen während der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Düsseldorf selbst zum herrlichen Schmuck der Aula des hart am Rhein gelegenen neuen Akademiegebäudes geschaffen hat, in welchem er seit 1895 als endlich definitiv ernannter Direktor waltet.

Hier klicken für vergrößerte Ansicht

Hier klicken für vergrößerte Ansicht

Hier klicken für vergrößerte Ansicht

 

Natur Schönheit Phantasie

Die dort von ihm ausgeführten Malereien gliedern sich in drei Partien: die Friesgemälde zwischen Wand und Decke, die drei in Medaillonform, welche die flache Decke zieren, und die vier, welche in die Bogenzwickel zwischen den rundbogigen hohen, farbig gemusterten Fenstern in der Nordwand des großen Saales hineinkomponiert sind. Jene Friesbilder schildern in den Ausdrucksformen einer ganz originellen und pe4rsönlichen Kunst die Hauptperioden jedes Menschenlebens von der Geburt bis zum Grabe. Die Zwickelgemälde jene „letzten Dinge“ jenseits des Grabes nach den Vorstellungen, welche die christgläubige poetische Phantasie sich von ihnen zu bilden pflegt: Auferstehung, Gericht, Anbetung der Gottheit durch die Berufenen und Auserwählten im Glanze der Wohnung der Seligen, und als viertes Bild eine Gruppe musizierender und singender Engel, die zur Erde herabschweben, um der Menschheit die frohe Botschaft aus Himmelshöhen zu bringen. Von den drei Rundbildern der Decke zeigt das eine, das östlichste, die Verkörperung der Phantasie in der Gestalt eines hüllenlosen weiblichen Idealwesens, das von einem geflügelten Greifen hinauf zu den Sternen getragen wird, wo der aufwärts zum himmlichen Licht Strebenden heitere Genien die Arme liebend entgegenstrecken. In dem westlichen Rundbilde ist die Natur durch ein in üppiger Schönheit prangendes nacktes Weib dargestellt, an dessen Brüsten die sich herandrängenden Kinder der Menschen Nahrung trinken, umgeben von männlichen Gestalten, weiblichen Genien und Putten, welche die Gaben der Erde und des Wassers vor ihr ausschütten.

Dem Bunde der Phantasie mit der Natur entspringt die Schönheit. Ihrer Darstellung ist das mittelste der drei Rundbilder gewidmet. In reiner, keuscher Nacktheit schwebt die Göttin im Geleit der beiden Genien der Malerei und Bildhauerkunst wie von der Decke herab den hinaufschauenden Sterblichen entgegen, die sie „aus dem engen, dumpfen Leben in de Ideales Reich“ zu erheben kommt. Diese drei Plafondgemälde leuchten dort oben in wundervollem Farbenglanz. Die ebenfalls aus echt koloristischer Anschauung heraus geschaffenen Bilder des Wandfrieses zeigen dabei die größeste Feinheit und Mannigfaltigkeit der Farbenstimmungen, die immer der poetischen Stimmung jedes einzelnen angepaßt sind. Das erste Bild, an der östlichen Schmalwand, zeigt das Kind, das in freier Landschaft, in welcher Schafe weiden und der Acker seinen von Kindern gezogenen Pflug führt, von einem beschwingten Himmelsboten bei den ersten Schritten der kleinen Füßchen geführt wird. Die schöne Zeit des Lebens- und Liebesfrühlings schildert das folgende Bild, das erste der südlichen Langwand: Ein junges liebendes Paar in prächtigen Renaissancetrachten, das, von Amouretten umgaukelt, zärtlich aneinander geschmiegt durch die lachende, frühlingsgrüne Welt wandelt. – Die Sonne des Lebenstages steigt höher. Das Mannesalter kommt und mit ihm der harte Kampf  um das eigene Dasein und das der Familie. Sie werden hier symbolisiert durch den Kampf, den ein Mann der Urzeit zum Schutze von Weib und Kind, die sich angstvoll zu bergen suchen, mit den wilden Bestien, den „grimmigen Katzen“ besteht, von welchen der eine Tiger bereits seinem Speerwurf erlegen ist. – Und nach andere größere Kämpfe hat der Mann heldenhaft bestanden und in ihnen glorreichen Sieg errungen. Das folgende, in seiner ganzen Farbenstimmung besonders prächtige Bild zeigt den in glänzender Rüstung strahlenden, vom Purpurmantel umflatternden, den Palmzweig des Friedens tragenden, heimkehrenden Triumphator, an dessen Seite sich die Göttin des Überflusses mit dem Füllhorn schwingt, im Streitwagen, dessen feuriges Rossegespann ein schöner ihm voranschwebender, weiblicher Genius an den Zügeln führt, während die Räder die niedergestreckten Feinde, die Verkörperungen ungerechter Gewalt, der Lüge und Heuchelei zermalmen. Aus den dem Wagen nachwallenden Wolken tauchen unbestimmt die Köpfe und Halbfiguren der Krieger – oder wollte der Meister die Geister der Gefallenen und der Opfer des Krieges darin darstellen? – auf, und die Flammen der Feuersbrünste lodern zum düsteren Himmel empor. –

Im nächsten Bilde (an der westlichen Schmalwand) sieht man den Mann in höheren Jahren, umgeben von den Seinen neben der Gattin, die den kleinsten Buben zärtlich auf dem Schoß hält, unter dem schattigen Baume sitzen, das friedliche kurze Glück des Alters genießend; reife wogende Getreidefelder, durch die der Schnitter geht, liegen vor seinen Blicken, und in den Lüften gaukeln Amouretten, welche Blumen- und Fruchtgewinde tragen. Aber hinter ihm naht schon der Schnitter Tod in Gestalt des „Knochenmannes“, der den Alternden abzurufen kommt. Vergebens knieht ein kleiner Liebesgott vor dem Unerbittlichen, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Zur Rechten dieser Gruppe unter dem Baum in der Mitte, klingt das Ganze in einer Komposition von ergreifender Schönheit aus. Um den Sarkophag des ihnen entrissenen geliebten Familienhauptes knieen schmerzerschüttert die Seinen, Frauen und Männer. Ein blonder Knabe hat sich weinend am Sockel niedergeworfen. Am Kopfende aber sitzt ein geflügelter Engel, der ihnen kündet, daß der aus dem Erdendasein Abgerufene eingegangen sei in das Reich der ewigen himmlichen Klarheit. Eine breite Strahlengarbe fällt aus den Wolken auf die ganze Gruppe.

An der Fensterwand schließt sich daran das erste jener vier Zwickelbilder: die Auferstehung der Toten. Dies magisch aus dem Schattendunkel ihrer Wandflächen zwischen zwischen den Fenstern hervorleuchtenden vier Gemälde sind ihren Gegenständen entsprechend in einem ganz anderen Stil als jene zwar symbolischen, aber zugleich doch auch genrehaften der Hauptabschnitte eines Menschen- und Heldenlebens gehalten; in einem Stil, der in seiner Größe und Feierlichkeit an den der idealistischen römischen Meister der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts anklingt.

Weiter..

 

Anfang