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Wenn Janssens Haupttätigkeit auch während jener Jahre in
der Ausführung der großen Wandmalereien bestand, so hatte er darum die
Staffelmalerei keineswegs vernachlässigt.
Zur Überraschung vieler, welche die umfassende Größe
seines malerischen Könnens noch nicht kannten, trat er (auf der Düsseldorfer
Kunst- und Gewerbeausstellung im Mai 1880) mit einem lebensgroßen Bildnis in
ganzer Figur, dem des alten populären Akademie-Inspektors Holthausen, hervor,
das seinem Maler widerspruchslos den uneingeschränkten Ruhm eines der
größesten Bildnismaler seiner Zeit erwarb. Nichts Lebens- und
Charaktervolleres, nichts größer Aufgefaßtes, nichts mächtiger gemaltes ist in
ihr auf diesem künstlerischen Gebiet geschaffen worden, als das Portrait des
bärtigen, alten Mannes, der, die Hand auf den Stock stützend, mit
zurückgelehntem Oberkörper und vorgestreckten Beinen und Füßen, von sicherem,
stolzem Selbstgefühl erfüllt, dem es nicht an einem Beisatz oder Nebenklang
von unfreiwilligen Humor fehlt, auf seinem Stuhl dasitzt. Andere bekannt
gewordene Bildnisse Janssens von ähnlicher Trefflichkeit sind das, von ihm im
Regierungsauftrag gemalte des Feldmarschalls General Herwarth von Bittenfeld
und das des greisen und doch so jugendrüstigen Meisters
Andreas Achenbach,
welches letztere erst 1890 im Auftrage der Stadt Düsseldorf gemalt wurde.
Sechs Jahre hinter der Ausführung dieses Meisterwerkes
zurück liegt die eines figurenreichen Ölgemäldes von ungewöhnlich großen
Dimensionen durch P. Janssen. Da gestattete er sich es einmal, in der
Darstellung der unverhüllten nackten, prächtig erblühten Schönheit, in
„Farbenfülle, reinem Rund“, losgelöst von allem Kostümzwang und allen
Rücksichten auf geschichtliche Echtheit der Erscheinung, nach Herzenslust zu
schwelgen. In einer Komposition mit überlebensgroßen Gestalten in idealer
südlicher Landschaft schilderte er die „Erziehung des Bachus“ durch
freundliche Nymphen, denen bockfüßige Faune und Satyrn dabei Gesellschaft
leisten, jene und den göttlichen Knaben durch Becken- und Flötenklang
erheiternd. Diese Nymphengestalten sind warmblütige, von gesundem, kraftvollen
Leben erfüllte, prangende Geschöpfe, die in nichts an die zahmen, kühlen,
schattenhaften Idealwesen erinnern, als welche die frühere akademische Kunst
solche mythologische Persönlichkeiten zu bilden pflegte. Aber eben so frei wie
von Kälte und Leblosigkeit, sind Janssens Nacktheiten von Lüsternheit und
sinnlichem Raffinement. Echte Kinder eines goldenen Zeitalters sehen wir vor
uns, keine entkleideten Modelle, und der Adel der Form verbindet sich mit
einem Reichtum, einem leuchtendem Glanz, einer Tiefe und Glut der Farbe, einer
Ruhe, Harmonie und Geschlossenheit der Gesamtwirkung, wie man das alles vor
Janssen auf Gemälden aus der Düsseldorfer Schule vergebens gesucht haben
würde.
Ein anderes Ölbild ähnlichen Umfangs malte er im Auftrag
eines patriotischen Bürgers, Herrn Karl Weiler, der es gelegentlich der 1888
veranstalteten Feier des sechshundertjährigen Bestehens Düsseldorfs als Stadt
bei P. Janssen bestellt und zur Ausstellung in der Kunsthalle bestimmt hatte.
Ein lokalgeschichtliches Ereignis aus dem XIII. Jahrhundert, die
Schlacht bei Worringen, nahe bei Köln, in welcher 1288 Herzog Johann von Brabant, die
Grafen von Cleve, Berg und Mark, die Kölner und Düsseldorfer Bürger mit
vereinten Kräften den Erzbischof Siegfried von Westerburg und den Grafen
Reinald von Geldern besiegten und zu Gefangenen machten, war der dem Künstler
gegebene Gegenstand – der übrigens schon 49 Jahre früher durch einen berühmten
Meister der jungen belgischen Schule der dreißiger Jahre, Ricaise de Kenzer,
in einem seiner Zeit viel bewunderten, großen Gemälde behandelt worden war.
Für Düsseldorf hat diese Schlacht dadurch eine größere Bedeutung gewonnen, daß
der Gemeinde zum Lohne für die kräftige Mitwirkung ihrer Männer die
Stadtrechte verliehen wurden. Janssen wählte als Darstellungsmotiv keine
eigentliche Gefechtsszene. Er malte den Führer der Bergischen Bauern, den
fanatischen Mönch Walter Dodde, wie er vom Sattel seines Schimmels herab durch
seine flammende Rede die ihn umgebenden Scharen begeistert und die wilde
Kampflust in ihren Seelen entfacht . Der Fanatismus des Redners und das
Auflodern der Leidenschaften in der Brust der im lauschenden, derben,
bäurischen mann34 ist in ihren Gesichtern, ihrer Haltung, ihren dabei durchaus
natürlichen und untheatralischen Bewegungen zum packenden, energischen
Ausdruck gebracht. Und dabei stehen alle diese Gestalten in der Landschaft,
allseitig von Licht und Luft umschlossen, körperhaft vor uns da, ohne das der
Maler zur Erreichung dieser Wirkung die Mittel scharfer Sonnenbeleuchtung und
somit tiefer Schatten- und glänzender Lichtmassen angewandt hätte.

Schlacht bei Worringen, 1288 von Peter Janssen, 1893
In dieselben Jahrzehnte, in welchem Janssen diese großen
Ölgemälde zu Düsseldorf ausführte, fallen auch seine umfangreichen Arbeiten in
dem zur Ruhmeshalle der preußischen Armee umgeschaffenen Berliner Zeughause.
Drei aus jener Folge von kolossalen historischen Wandgemälden in Kaseinfarben,
mit denen die Hallen des Nordflügels zu beiden Seiten des mittleren
Kuppelraumes geschmückt werden sollten, waren dem Düsseldorfer Meister
übertragen worden. Den Großen Kurfürsten in der Schlacht bei Fehrbellin hatte
das eine, das zweite das Zusammentreffen Friedrichs des Großen mit Zieten nach
der Entscheidung der Schlacht bei Torgau, das dritte die Schlacht bei
Hohenfriedberg darzustellen. Sie wurden in den Jahren 1884, 1888 und 1890
vollendet.

Schlacht bei Fehrbellin. Sieg des Kurfürsten über die Schweden 1675
Als das gelungenste will mir das erstgenannte der drei
erscheinen. Aber jedes von ihnen ist als Komposition wie in der farbigen
Stimmung und Wirkung den anderen, dort von anderen Künstlern gemalten
vaterländischen Kampf- und Siegesschilderungen um ein bedeutendes überlegen,
wenn auch nicht den herrlichen symbolischen Gemälden, mit welchen Geseschap
die Kuppel, die vier Schildbogen und die Wand-Zwickel der sich in der Mitte
jenes Flügels erhebenden Herrscherhalle geschmückt hat.
Bei aller künstlerischen Bedeutung dieser dekorativen
Wandgemälde reicht sie doch nicht an die des großen zyklischen Kunstwerks
heran, das Janssen während der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Düsseldorf
selbst zum herrlichen Schmuck der Aula des hart am Rhein gelegenen neuen
Akademiegebäudes geschaffen hat, in welchem er seit 1895 als endlich definitiv
ernannter Direktor waltet.
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Natur |
Schönheit |
Phantasie |
Die dort von ihm ausgeführten Malereien gliedern
sich in drei Partien: die Friesgemälde zwischen Wand und Decke, die drei in
Medaillonform, welche die flache Decke zieren, und die vier, welche in die
Bogenzwickel zwischen den rundbogigen hohen, farbig gemusterten Fenstern in
der Nordwand des großen Saales hineinkomponiert sind. Jene Friesbilder
schildern in den Ausdrucksformen einer ganz originellen und pe4rsönlichen
Kunst die Hauptperioden jedes Menschenlebens von der Geburt bis zum Grabe. Die
Zwickelgemälde jene „letzten Dinge“ jenseits des Grabes nach den
Vorstellungen, welche die christgläubige poetische Phantasie sich von ihnen zu
bilden pflegt: Auferstehung, Gericht, Anbetung der Gottheit durch die
Berufenen und Auserwählten im Glanze der Wohnung der Seligen, und als viertes
Bild eine Gruppe musizierender und singender Engel, die zur Erde herabschweben,
um der Menschheit die frohe Botschaft aus Himmelshöhen zu bringen. Von den
drei Rundbildern der Decke zeigt das eine, das östlichste, die Verkörperung
der Phantasie in der Gestalt eines hüllenlosen weiblichen Idealwesens, das von
einem geflügelten Greifen hinauf zu den Sternen getragen wird, wo der aufwärts
zum himmlichen Licht Strebenden heitere Genien die Arme liebend
entgegenstrecken. In dem westlichen Rundbilde ist die Natur durch ein in
üppiger Schönheit prangendes nacktes Weib dargestellt, an dessen Brüsten die
sich herandrängenden Kinder der Menschen Nahrung trinken, umgeben von
männlichen Gestalten, weiblichen Genien und Putten, welche die Gaben der Erde
und des Wassers vor ihr ausschütten.
Dem Bunde der Phantasie mit der Natur entspringt die
Schönheit. Ihrer Darstellung ist das mittelste der drei Rundbilder gewidmet.
In reiner, keuscher Nacktheit schwebt die Göttin im Geleit der beiden Genien
der Malerei und Bildhauerkunst wie von der Decke herab den hinaufschauenden
Sterblichen entgegen, die sie „aus dem engen, dumpfen Leben in de Ideales
Reich“ zu erheben kommt. Diese drei Plafondgemälde leuchten dort oben in
wundervollem Farbenglanz. Die ebenfalls aus echt koloristischer Anschauung
heraus geschaffenen Bilder des Wandfrieses zeigen dabei die größeste Feinheit
und Mannigfaltigkeit der Farbenstimmungen, die immer der poetischen Stimmung
jedes einzelnen angepaßt sind. Das erste Bild, an der östlichen Schmalwand,
zeigt das Kind, das in freier Landschaft, in welcher Schafe weiden und der
Acker seinen von Kindern gezogenen Pflug führt, von einem beschwingten
Himmelsboten bei den ersten Schritten der kleinen Füßchen geführt wird. Die
schöne Zeit des Lebens- und Liebesfrühlings schildert das folgende Bild, das
erste der südlichen Langwand: Ein junges liebendes Paar in prächtigen
Renaissancetrachten, das, von Amouretten umgaukelt, zärtlich aneinander
geschmiegt durch die lachende, frühlingsgrüne Welt wandelt. – Die Sonne des
Lebenstages steigt höher. Das Mannesalter kommt und mit ihm der harte Kampf
um das eigene Dasein und das der Familie. Sie werden hier symbolisiert durch
den Kampf, den ein Mann der Urzeit zum Schutze von Weib und Kind, die sich
angstvoll zu bergen suchen, mit den wilden Bestien, den „grimmigen Katzen“
besteht, von welchen der eine Tiger bereits seinem Speerwurf erlegen ist. –
Und nach andere größere Kämpfe hat der Mann heldenhaft bestanden und in ihnen
glorreichen Sieg errungen. Das folgende, in seiner ganzen Farbenstimmung
besonders prächtige Bild zeigt den in glänzender Rüstung strahlenden, vom
Purpurmantel umflatternden, den Palmzweig des Friedens tragenden,
heimkehrenden Triumphator, an dessen Seite sich die Göttin des Überflusses mit
dem Füllhorn schwingt, im Streitwagen, dessen feuriges Rossegespann ein
schöner ihm voranschwebender, weiblicher Genius an den Zügeln führt, während
die Räder die niedergestreckten Feinde, die Verkörperungen ungerechter Gewalt,
der Lüge und Heuchelei zermalmen. Aus den dem Wagen nachwallenden Wolken
tauchen unbestimmt die Köpfe und Halbfiguren der Krieger – oder wollte der
Meister die Geister der Gefallenen und der Opfer des Krieges darin darstellen?
– auf, und die Flammen der Feuersbrünste lodern zum düsteren Himmel empor. –
Im nächsten Bilde (an der westlichen Schmalwand) sieht
man den Mann in höheren Jahren, umgeben von den Seinen neben der Gattin, die
den kleinsten Buben zärtlich auf dem Schoß hält, unter dem schattigen Baume
sitzen, das friedliche kurze Glück des Alters genießend; reife wogende
Getreidefelder, durch die der Schnitter geht, liegen vor seinen Blicken, und
in den Lüften gaukeln Amouretten, welche Blumen- und Fruchtgewinde tragen.
Aber hinter ihm naht schon der Schnitter Tod in Gestalt des „Knochenmannes“,
der den Alternden abzurufen kommt. Vergebens knieht ein kleiner Liebesgott vor
dem Unerbittlichen, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Zur Rechten dieser Gruppe
unter dem Baum in der Mitte, klingt das Ganze in einer Komposition von
ergreifender Schönheit aus. Um den Sarkophag des ihnen entrissenen geliebten
Familienhauptes knieen schmerzerschüttert die Seinen, Frauen und Männer. Ein
blonder Knabe hat sich weinend am Sockel niedergeworfen. Am Kopfende aber
sitzt ein geflügelter Engel, der ihnen kündet, daß der aus dem Erdendasein
Abgerufene eingegangen sei in das Reich der ewigen himmlichen Klarheit. Eine
breite Strahlengarbe fällt aus den Wolken auf die ganze Gruppe.
An der Fensterwand schließt sich daran das erste jener
vier Zwickelbilder: die Auferstehung der Toten. Dies magisch aus dem
Schattendunkel ihrer Wandflächen zwischen zwischen den Fenstern
hervorleuchtenden vier Gemälde sind ihren Gegenständen entsprechend in einem
ganz anderen Stil als jene zwar symbolischen, aber zugleich doch auch
genrehaften der Hauptabschnitte eines Menschen- und Heldenlebens gehalten; in
einem Stil, der in seiner Größe und Feierlichkeit an den der idealistischen
römischen Meister der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts anklingt.
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