(Johann) Peter (Theodor) Janssen (1844-1908), klicken Sie hier für seinen Lebenslauf

 

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Peter Janssen – eine zeitgenössische Biografie
von Professor Ludwig Pietsch – Berlin
Quelle: Vellhagen & Klasings Monatshefte,
XVI. Jahrgang 1901/1902. Heft 2, Oktober 1901.

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© 2008 Stephan Kotthaus

aktualisiert:07.12.2008

 


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Kaum war dies „im tiefsten sinnig-, gedanken-, kunst- und schönheitsreiche, großartige Werk“ (1893) vollendet, das erst drei Jahre später dem Publikum gezeigt, dem mit ihm geschmückten Raum eine so hohe künstlerische Weihe verleiht, so trat an Janssen bereits wieder eine neue, noch gewaltigere Aufgabe gheran, deren Lösung seitdem seine geistige Kraft und malerische Thätigkeit vor jeder anderen in Anspruch genommen hat. Er wurde beauftragt, für den großen Saal im Universitätsgebäude zu Marburg sieben Wandgemälde von kollosalem Umfang und sechs Bilder für die Lünetten an denselben Wänden auszuführen. Die Gegenstände der ersteren sollten bedeutende, besonders denkwürdige Vorgänge aus der Geschichte dieser alten Stadt und ihrer Umgebungen , die der Lünetten der poetischen Sage von „Otto dem Schützen“ entlehnt sein. Mit frischer Begeisterung wie mit gestählter Kraft und im Bewußtsein ihres Vollbesitzes und der reifsten Meisterschaft ist Janssen an dies riesige Werk gegangen. Fünf von den größsten Gemälden fanden wir im Sommer des vorigen Jahres in seiner Werkstatt im Akademiegebäude so gut wie vollendet. Für die Lünetten hat er vorzüglich in deren beschränkten Raum hinein komponierte Darstellungen zu jener, teilweise durch geschichtliche Fakta begründeten, romantischen Sage von Otto dem Schützen, deren Schauplätze im Hessenlande liegen, entworfen. Marburgs geschichtliche Vergangenheit hat die Stoffe zu den großen Wandgemälden gegeben, in denen Janssens Kunst der zugleich großartig monumentalen und ungekünzelt erscheinenden Komposition, der überzeugend lebensvollen Darstellung des Vorgangs, seine Kraft der Charakterisierung der Menschen aus den verschiedensten Zeitepochen und sein malerisches Können sich auf ihrem höchsten Gipfel zeigen.

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Kaiser Friedrich II. entläßt nach Preußen ziehende Deutsch-Ordensritter. 1236

Das erste Bild der Reihe stellt die Verabschiedung der zur Eroberung des heidnischen Preußen ausziehenden Ritter des Deutschen Ordens durch Kaiser Friedrich II. Im Schloß zu Marburg 1236 dar. Der in ein langes violettes Gewand mit dem Purpurmantel darüber gekleidete Kaiser, der für einen Mann von zweiundvierzig Jahren auffällig jugendlich erscheint, drückt dem scheidenden Hochmeister die Rechte und legt die Linke auf dessen Schulter mit einer Gebärde, die das feste Vertrauen in den Mut, den Verstand und die Tüchtigkeit dieses Führers beredt ausdrückt. Er seinerseits scheint dem Kaiser zu geloben, das er dies Vertrauen rechtfertigen werde. Seine Ritter sind bereits im Sattel und reiten, den Kaiser mit erhobenen Händen, geschwungenen Lanzen und Schwertern grüßend, dem Thor in den gewaltigen düsteren Mauern des alten Marburger Ordensschlosses zu. Zwischen und hinter den Rossen, über deren Rücken hin die weißen Ordensmäntel wallen, schreitet in gedrängten Gruppen das Fußvolk. Jene finsteren Mauern und trotzigen Rundtürme bilden den tieffarbigen ruhigen Hintergrund für die bewegten Gestaltenmassen in ihren meist hellen Trachten und schimmernden Eisenhauben. Das ganze Bild trägt das Gepräge schlichter Größe.

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Die h. Elisabeth und ihr geistiger Zuchtmeister Konrad von Marburg:1230

Der Gegenstand des zweiten Bildes bot dem Meister sehr viel reichere und mannigfaltigere Motive für die Schilderung mittelalterlicher Zustände und des Seelenlebens mittelalterlicher Menschen. Es zeigt die heilige Elisabeth, die all ihren Fürstenglanz, ihre Würde und Hoheit abgelegt und demütig als Wärterin der Kranken im Spital werktätig ihrem Heiland dient, und für ihren frommen Übereifer oder auf ihren Wunsch um der vermeintlich gottgefälligen Kasteiung willen, von dem fanatischen Bischof Konrad von Marburg gegeißelt wird. In der Darstellung der auf ihrem Schmerzenslager in langer Reihe nebeneinander lagernden kranken Frauen blieb Janssen an Kühnheit und Wahrhaftigkeit hinter keinem der alten niederländischen und deutschen wie der modernen Realisten zurück. Aber nie verfällt er dabei in kleinliche Ausmalung der Details. Immer ist auch in der Zeichnung dieser Gestalten der große monumentale Stil gewahrt. Die knieende Heilige, die dem finsteren Kleriker ergeben den zarten Rücken bietet, den er sich anschickt mit dem Strick in seiner rechten zu geißeln, ist die Verkörperung rührender Demut und frommer Ekstase. Der Körperschmerz scheint ihre Seele nur mit Entzücken zu erfüllen. Ihr edles Antlitz blickt wie verklärt zum Himmel auf, und ein seliges Lächeln gleitet darüber hin. Die sie umstehenden und die erschrocken, mitleidig und staunend zugleich der seltsamen grausigen Szene zuschauenden Gestalten drücken die sehr verschiedenartigen Empfindungen wahr und lebendig aus, welche der Vorgang in ihnen hervorruft. Die von draußen in den Raum einfallenden Sonnenstrahlen tauchen ihn und die Gruppen in ihm in lichte Töne von schöner Klarheit auch in den Schattenwaffen, die durch den Reßler zu warmem Helldunkel aufgelöst werden.

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Sophie von Brabant läßt die Marburger  Heinrich dem Kinde huldigen. 1248

Sophie von Brabant zeigt dem Volk von Marburg ihr Söhnchen, den Erben des Markgrafentums, Ludwig das Kind (1248) – das ist die, bereits einmal von Adolf Menzel in einem berühmten großen Karton dargestellte Szene, welche das dritte Wandgemälde veranschaulicht. In der Gestaltenmenge, die sich am Fuß der breiten Steinstufen drängt, auf deren Höhe die Fürstin, das erlauchte Knäblein mit beiden Händen in die Luft haltend, steht, hat Janssen seine Gabe und Kunst der lebendigen Vergegenwärtigung leidenschaftlich bewegter Menschenmassen, in freudig jubilierender Stimmung aufs glänzendste bewährt. Nie ist ein solches Volksgewühl wahrer und treffender geschildert worden. Aber wenn dieser schreiende, fahnenschwingende, in sich wogende bunt gemischte Haufen als einheitliche, wie von einem mächtigen Impuls getriebene Masse erscheint, so hat der Meister doch innerhalb ihrer jeden Mann, Greis, schlanken Jungen und kleinen Buben, jedes Weib und Mädchen als besondere Individualität, scharf und treffend zu charakterisieren verstanden. Da ist nicht Schablonenhaftes, in den Köpfen wie in den Gestalten und den Bewegungen. Und wie diese, sind auch die Lokalfarben von größester Mannigfaltigkeit, während sie doch auch wieder zu einem großen geschlossenen Gesamtton verschmolzen sind. Einen prächtigen Gegensatz zu dieser stürmisch bewegten Menschenflut bilden die gehelmten geharnischten Reiter, die hie und da, ehernen Statuen gleich, daraus aufragen.

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Die Schlacht bei Laufen. 1534

Noch heftiger und wilder bewegte, gestaltenreiche Gruppen zeigt das vierte Bild eines heißen Kampfgewühls, der siegreichen Schlacht bei Laufen, in welcher Philipp von Hessen das kaiserliche Heer unter dem Pfalzgrafen Philipp am 13. Mai 1534 schlug. Geharnischte Lanzenreiter auf feurig ansprengenden gepanzerten Rossen und Scharen „frommer Landsknechte“ in buntfarbigen geschlitzten und gepufften Wämsern und Hosen, mit Spießen, Hellebarden und zweihändigen Schwertern sieht man im wütenden Handgemenge. Die Fechtenden und die Sterbenden machen keine Posen, wie auf so vielen deutschen Schlachtenbildern, zumal auf solchen von mittelalterlichen Kampfszenen, sie schlagen und stechen, sie fallen und wälzen sich auf dem zerstampften Boden, so, daß man an den bitteren, grimmigen Ernst ihrens Thuns und ihren Leiden und daran, daß in jenem Zeitalter die Formen des Nahgefechts so wie sie hier dargestellt sind, gewesen seien, glauben muß.

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Die Reformatoren ziehen zum Religionsgespräch ein, empfangen von Philipp dem Großmütigen. 1529

Mit der gleichen Meisterschaft und gleich überzeugend wie auf dem dritten Bilde ist die Volksmenge auf dem fünften geschildert, welche sich da mit leidenschaftlicher Anteilnahme herandrängt zum gastlichen Empfange und zur Begrüßung der zum Religionsgespräch nach Marburg gekommenen Reformatoren Luther, Melanchton, Jonas, Osiander , Agricola, Zwingli, Decolampadius und Butzer durch Philipp von Hessen, den berühmten Förderer der Reformation. Aber wahrhaft bewundernswert sind auch alle diese geschichtlichen Charaktere, die Hauptfiguren in diesem Vorgange, dargestellt. Auch hier hat es Janssen wie auf dem Bilde der Vorstellung des kleinen Prinzen durch Sophie von Brabant vollendet erreicht, innerhalb der großen Gesamtmasse, die als Einheit wirkt und von einem gemeinsamen Gefühl bewegt und vorgetrieben wird, doch jede Einzelgestalt als besonderes persönliches Wesen zu bilden. Auch der Reichtum seiner Erfindung, seiner künstlerischen Schöpferkraft und die Schärfe seiner Beobachtung zeigen sich hier wieder in ganzer Größe. Nicht minder auch des Meisters Kunst und Macht, ein buntes Mosaik von lebhaften Lokalfarben und von ruhigem tiefen Schwarz zu einer schönen geschlossenen Totalwirkung zu verschmelzen.

Wenn Janssens Genie und Können sich in großen Zyklen symbolischer und geschichtlicher Wandgemälde auch am eindrucksvollsten bestätigt, und wenn deren Entwurf und Ausführung seinen ganzen künstlerischen Menschen während seines bisherigen Lebens auch zumeist in Anspruch genommen hat, so wußte er trotzdem doch noch immer genügende Zeit , Sinnes- und Seelenfreiheit zu gewinnen, um zu seiner eigenen Lust und ohne eine Bestellung abzuwarten, malerische Kunstwerke von mannigfacher Art zu schaffen. So schmückte er Wandfriese, Bogenfelder und Decken der Haupträume seines eigenen echt künstlerisch vornehm und traulich eingerichteten und ausgestatteten Daheim mit sinnigen poesie- und schönheitsvollen Malereien. So gestaltete er auf Reisen Gesehenes und Beobachtetes zu Bildern voller Leben und Charakter und von prächtiger Farbenfrische und –Wärme. Eine Reihe hochinteressanter Öl- und Aquarellgemälde und Farbenskizzen, zu denen das Volkstreiben in spanischen Städten die Motive gegeben hat, danken ihre Entstehung Janssens durch die pyrenäische Halbinsel. Wohl ist seine Phantasie erfüllt mit großen Gegenständen, und seine Hauptaufgabe  fand er immer darin, vor seinen Augen geistige Bilder aus jener idealen Welt, „wo die reinen Formen wohnen“ und von Menschen und Taten vergangener alter Zeiten heraufzubeschwören. Aber immer auch ist sein Blick allen Erscheinungen der Natur, der lebendigen Wirklichkeit aufmerksam zugewendet.

Keiner ihrer Reize ist ihm verschlossen, und was ihn in ihr anregt, malerisch interessiert und fesselt, skizziert er mit Pinsel und Stift. Aus der steten Berührung mit der Natur, aus dem Versenken in ihre unerschöpfliche Herrlichkeit gewinnt er immer wieder frische Kraft und bewahrt er sich vor jedem Erstarren in Manier.

 Als Mensch wie als Künstler ist er ein ganzer Mann. Gesund im innersten Mark, in allen Fasern seines Wesens, in seinem Denken, Anschauen und Schaffen steht er fest und tüchtig mitten in Leben seiner Zeit. Viele und Großes hat er geschaffen, und als Vorbild und Lehrer der Künstlerjugend um sich herum reiche Saaten ausgestreut, denen bereits manches herrliche Korn entsprossen ist. Aber Alles berechtigt zu der frohen Hoffnung, daß er noch lange nicht sein letztes Wort gesprochen hat, sondern noch Viel und Großes zu schaffen und zu wirken bestimmt ist, ihm zum Ruhm und zur Ehre der deutschen Kunst.

 

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