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Damals, im Jahre 1875, war es, daß Janssen von der
Staatsregierung den Auftrag zur Ausführung jener Wandbogengemälde im zweiten
Corneliussaal des neuen Nationalgaleriegebäudes erhielt, deren Motive, wie
bereits oben erwähnt ist, der Prometheussage entlehnt werden sollten. Zehn
solcher Bogenfelder an den Langseiten und je eine Wandfläche auf jeder der
beiden Schmalseiten hatte er mit Gemälden, jene mit halblebensgroßen, diese
mit lebensgroßen Gestalten, zu schmücken. Die technische Ausführung sollte in
matten Wachsfarben nach Andreas Müllers Rezept geschehen, wovon von vornherein
das Anstreben stärkerer farbiger Wirkungen ausgeschlossen war, wie es sich
durch die Architektur und die Bestimmung des Raumes von selbst verbot. Die so
entstandenen Gemälde beweisen ebenso die Vielseitigkeit der Begabung und des
Könnens ihres Urhebers, als seine Kraft der Selbstbeherrschung und jener
„Beschränkung“, in der sich nach Goethes berühmten Spruch ja erst der Meister
zeigen soll. Aber diese Kompositionen beweisen auch eine ganz ungewöhnliche
Fähigkeit der poetisch-malerischen Erfindung, die ihm den gegebenen Stoff eine
so große Fülle von Bildmotiven abgewinnen ließ. So malte er in die
Bogenfelder oben über der Langwand zur Rechten Themis, ihrem Sohn Prometheus
den einstigen Sturz des Zeus prophezeihend; Prometheus am Kampf der Götter
gegen die Titanen teilnehmend; Prometheus Menschen formend, die durch Pallas
beseelt werden; Prometheus entflieht mit dem dem Zeus geraubten himmlischen
Feuer; er lehrt, in dessen Besitz, die Menschen Künste und Handwerke. Daran
schließt sich dann an der Giebelwand der südlichen Schmalseite das große Bild
des an den Kaukasus gefesselten Prometheus, dessen Schicksal von den
mildherzígen, dem Meeere enttauchenden Okeanostöchtern beklagt wird. Sie
umgeben, um ihn zu trösten, den Felsen, auf dem er angeschmiedet liegt,
titantrotzig dem Adler entgegenblickend, der heranschwebt, um an ihm die Rache
des Zeus zu vollziehen. Okeanos und der Berggott des Kaukasus, in den
Giebelecken lagernd, schließen zu beiden Seiten die Komposition, die reichste
und schönste von allen, ab. Auf der angrenzenden Wand setzt sich die
Bilderreihe fort: das nächste zeigt den Prometheussohn Epimetheus in den Armen
der geliebten Pandora, während diese das verhängnisvolle Gefäß öffnet, dem die
darin eingeschlossen gewesenen Dämonen des Unheils und Verderbens entsteigen.
Es folgt das Bild einer wild bewegten Szene, welche den Verlauf der mythischen
Prometheus-Tragödie seltsam unterbricht: mitsamt den ihn bemuítleidend und
kalgend umgebenden Okeaniden wird er durch den Zorn des Zeus in den Tartaros
hinabgestürzt. Aber das ist nur ein vorübergehendes Internmezzo, eine
eingeschobene Episode. Denn das nächste Bild zeigt die befreiende That des
Herakles, dessen Pfeil den an des Gefangenen Leber fressenden Adler erlegt.
Seiner Fesseln wird Prometheus durch seinen Erlöser und seine Mutter Themis
entledigt, und der edle Kentaur Chiron erbietet sich, um Zeus zu versöhnen,
statt des Befreiten in den Hades hinab zu steigen. – Das Bild der Aufnahme des
entsühnten Prometheus in den Kreis der seligen Olympier schließt hier – nahe
der Nischenwand – die Reihe. Die beiden Felder zu den Seiten der letzteren,
in welcher die vergoldete Kolossalbüste des Cornelius ihre Aufstellung
gefunden hat, schmückte Janssen dann noch mit den allegorischen Gemälden: der
Verkörperung der Ilias mit Thetis, welche die Waffen des Achill trägt, hinter
ihr dieser und Patroklos; der Gestalt der Odyssee mit Odysseus und Penelope.
Beide Gruppen scheinen aufwärts , dem im Scheitel der Giebelwand dargestellten
, gewaltigen Gott Eros, dem Bändiger der Elemente, entgegen zu schweben, in
welchem nach der griechischen Auffassung die göttliche Vollkommenheit
verkörpert ist.
Dem Reich der antiken Mythe, Sage und Dichtung hat die
Stoffwelt sehr fern gelegen, welche die Gegenstände zu den von Janssen während
seiner ferneren Laufbahn ausgeführten zahlreichen monumentalen Malereien
hergeben mußte. Aber immer zog es seine schönheitsfreudige Künstlerseele doch
mächtig an; und zu seiner eigenen Erfrischung und Erquickung, wie um sich zu
erholen von dem Malen realistischer Szenen und Gestalten aus der Geschichte
der christlichen Jahrhunderte, wandte er sich immer wieder den Götter- und
Halbgöttergestalten des alten Hellas zu; er fand seine künstlerische Wonne
darin, bald in Bleistift- und Rötelentwürfen, bald in prächtigen
Farbenskizzen, zuweilen auch in großen durchgeführten meisterhaften
Staffeleigemälden voll Farbenglanz und –Glut die „holden Wesen aus dem
Fabelland“, die von ihnen „an der Freude leichtem Gängelband geführten seligen
Geschlechter“ und die von ihnen regierte, mit ihnen belebte schöne Welt zu
schildern.
Die nächste Aufgabe, die ihm nach der Vollendung jener
Prometheusbilder von der Staatsregierung gestellt wurde, war die Weiterführung
und der Abschluß einer, von zwei Düsseldorfer Kollegen, Kehren und Commans,
nur bis zur Hälfte gebrachten dekorativen Arbeit: eines Gemäldefrieses in der
Aula des Lehrerseminars zu Moers, der den Entwicklungsgang oder Hauptmomente
der deutschen Geschichte vom Altertum bis zur Gegenwart darstellen sollte.
Jene katholischen frommen Maler hatten es nicht über sich vermocht, auch die
Periode der Reformation und die ihr folgenden Zeiten künstlerisch zu
verherrlichen. Janssen übernahm es für sie und malte die beiden fehlenden
Stücke des Zyklus, welche die großen Hauptakte der Reformation, vom
Märtyrertode des Johann Huß bis zur Verlesung der Augsburgischen Konfession,
und die preußischen Herrscher von Johann Sigismund bis Kaiser Wilhelm und ihr
Wirken für das protestantische Bekenntnis und die Glaubensfreiheit
veranschaulichen.
Damals wurde der ehemalige Schüler der Düsseldorfer
Akademie als Professor und Lehrer der Malerei an sie berufen. Als solcher, wie
seit 1895 als Direktor der Anstalt, fand er Gelegenheit, seine eminente
Begabung für das Belehren und Leiten der Künstlerjugend, das sich an ihm – ein
ziemlich seltener Fall – so glücklich mit dem schöpferischen Talent vereinigt,
in immer wachsenden Maße zu bewähren und für die Düsseldorfer Malerschule eine
neue Blütezeit heraufzuführen. Gleichzeitig erhielt Janssen einen neuen großen
Auftrag, so recht nach seinem Herzen. Er wurde eingeladen, den
Saal des neuen
Rathauses zu Erfurt mit Gemälden aus der Geschichte dieser Stadt zu schmücken.

Die Predigt des heiligen Bonifazius
Sieben von diesen Wandgemälden schildern historische Vorgänge in großer
Auffassung und monumentalen Zügen; zwei des ganzen Zyklus sind zum Teil
allegorische Kompositionen: das erste jener sieben stellt die Bekehrung des Erfurter Gaues zum Christentum durch den heiligen Bonifatius im Jahre 719 dar,
wobei die Fällung der dem Gott Wodan geweihten Eiche durch den kühnen,
glaubensstarken Apostel als Hauptmotiv gewählt und verwertet ist. Die
folgende, von einer Thür durchbrochene Wand schmückte Janssen, die dadurch
bedingte Form der Fläche geschickt benutzend, mit den Idealgestalten der
mittelalterlichen thüringischen Schutzheiligen St. Martin und St. Elisabeth
und mit der Darstellung einer Kinderwallfahrt, wie sie in der ersten Hälfte
des XIII. Jahrhunderts in diesen Landen veranstaltet worden sind und die in
deren Bevölkerung damals herrschend gewesenen religiös- mystischen Stimmungen
charakterisieren. Die Demütigung des geächteten Heinrich des Löwen, der auf
dem Reichstag zu Erfurt 1181 dem Kaiser Friedrich für seine vor Alessandria
bewiesene Untreue Abbitte zu leisten gezwungen war, bildet den Gegenstand des
folgenden Gemäldes. – Das nächstangrenzende schildert die Durchführung des auf
dem Reichstage von 1290 unter Rudolf von Habsburg beschlossenen
„Gottesfriedens“, die Bezwingung einer jener verderblichen Raubritterburgen,
von denen aus Thüringens Volk mit so schlimmen Plagen heimgesucht worden war:
die Wegführung der gefangenen adligen Räuber durch das siegesfreudige
Kriegsvolk.

Der Kniefall Heinrich des Löwen vor Kaiser Friedrich Barbarossa, 1181
Die Verherrlichung des durch die 1392 gegründete Erfurter
Universität mächtig geförderten neuen, regen Geisteslebens Thüringens ist ein
teilweise symbolisches Bild gewidmet. Diese Universität, die Alma Mater
Erfurt, ist durch eine hoheitsvolle, in der Mitte thronende ideale
Frauengestalt verkörpert. Die von den Bildnisfiguren der berühmtesten von den
an dieser Anstalt lehrenden beziehungsweise aus ihr hervorgegangenen
Repräsentanten der vier Fakultäten umgeben wird: Martin Luther als dem der
Theologie, Gobanus Hesse, dem Philosophen, Amplonius de Berka, dem Mediciner,
Henning Goede, den Rechtsgelehrten.

Die Universität Erfurt
Im schärfsten Gegensatz zum feierlich ruhigen, statuarischen Charakter dieses Gemäldes steht der des nächstfolgenden, der
Darstellung eines wild und leidenschaftlich bewegten Vorganges aus der
Erfurter Stadtgeschichte zu Anfang des XVI. Jahrhunderts: der Erstürmung des
Ratssaales durch das empörte Stadtvolk, dem der verhaßte Obervierherr Heinrich
Kellner trotzig stolz und verachtend mit dem kecken Wort entgegentritt: „Die
Gemeinde? Die Gemeinde bin ich.“ – Ein für die Freiheit und Selbständigkeit
der Stadt Erfurt vernichtendes Ereignis aus ihrer Vergangenheit gab den
Gegenstand des folgenden Bildes: der Einzug des Kurfürsten von Mainz Philipp
von Schönborn, der sich Erfurt unterworfen hatte, im November 1664, und der
Huldigungsakt der Stadt. Die dabei entfaltete äußere, kostümiche Pracht, durch
welche das Bild der Szene eine besonders reiche Farbigkeit erhielt, hat dem
Stoff für den Maler wohl seinen Hauptreiz gegeben.

Einzug des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn in Erfurt, 1664
Die Fläche der nächsten Wand, in die wieder eine Tür
einschneidet, schmückte Janssen mit einem geschickt in die dadurch bedingte
Raumform hineinkomponierten Bilde einer anderen freudigeren Huldigung, welche
die Bürgerschaft des preußisch gewordenen Erfurt dem die Stadt besuchendem
Königspaar Friedrich Wilhelm III. Und Luise im Jahre 1803 darbrachte. Zum
Vorwurf des letzten Bildes, das diese ganze Reihe schließt, wählte der Maler
einen realen geschichtlichen Vorgang in den Straßen Erfurts, der zugleich als
ein symbolischer wirkt, da die große Tatsache der Befreiung der Stadt und des
Vaterlandes von der französischen Fremdherrschaft in ihm zum prägnanten
Ausdruck gelangt: die Niederreißung jenes hölzernen Obelisken, der 1811 zur
Feier der Geburt des „Königs von Rom“ dem großen Napoleon errichtet worden
war, durch die Bevölkerung Erfurts beim Einmarsch der Preußen im Jahre 1814.
In diesen in Wachsfarben gemalten Wandbildern erscheint Janssens großes,
glückliches Talent zur vollster Reife entwickelt. Noch nie waren bis dahin
durch einen deutschen Künstler geschichtliche Monumentalgemälde geschaffen und
ausgeführt worden, die von Haus aus so malerisch empfunden , so farbig
gedacht, so frei von allem Theatralischen, so lebensvoll und lebenswahr,
zugleich doch so großen schlichten, echt monumentalen Stils und zu alledem
auch noch so technisch meisterhaft gemalt gewesen wären, wie diese.

Die Zerstörung der Napoleonssäule auf dem Anger, 1814
Wie
mächtig und schaffenskräftig auch Janssens Phantasie ist, es geht bei ihm mit
dem Erfinden das strenge unablässige Naturstudium immer Hand in Hand und läßt
in nie den festen soliden Boden unter den Füßen verlieren. In allem, was er
hier und was er seitdem gebildet hat, ist nichts geschwindelt, auf täuschenden
Schein, auf schmeichlerischen Effekt, berechnet und nirgends ein Abirren in
haltlose Phantasterei: „Die Natur ist aller Meister Meister.“ Das gilt auch
ihm für sein eigenes Schaffen wie bei seinem Unterrichten als oberster
Grundsatz, der ihn leitet und dem er folgt. Ihm entsprechend hat er die
vorgefundenen Formen und Methoden des künstlerischen Studiums und Unterrichts
an der Düsseldorfer Akademie, in ihren Zeichen- und Malklassen von Grund aus
umgestaltet, das lange Zeichnen nach der Antike auf ein bescheidenes Maß
eingeschränkt, das peinlich subtile Ausführen gänzlich verbannt, dafür das
beständige Arbeiten nach dem lebenden Modell in der Ruhe wie in der Bewegung
gesetzt. Übungen des künstlerischen Gedächtnisses durch die Wiedergabe
empfangener Natureindrücke aus der Erinnerung, das Entwerfen farbig gedachter
Kompositionen und die gründliche Schulung in guter malerischer Technik traten
in den Vordergrund, und bald wurden auf diesem Wege die glänzenden Früchte
gezeitigt, an welchen man den hohen Wert dieser neuen künstlerischen
Erziehungsmethoden und die überragende Bedeutung von Janssens persönlicher
Lehrbegabung erkennen mag. Sind doch aus dieser Düsseldorfer Schule, seit er
ihre Leitung übernommen hat, einige der tüchtigsten und männlichsten
künstlerischen Kräfte in der neueren deutschen Malerei hervorgegangen, während
die Akademie ehemals unter Schadow und Bendemann als die Pflanzstätte der
schwächlichen, damenhaften Talente galt.
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