(Johann) Peter (Theodor) Janssen (1844-1908), klicken Sie hier für seinen Lebenslauf

 

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Peter Janssen – eine zeitgenössische Biografie
von Professor Ludwig Pietsch – Berlin
Quelle: Vellhagen & Klasings Monatshefte,
XVI. Jahrgang 1901/1902. Heft 2, Oktober 1901.

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© 2008 Stephan Kotthaus

aktualisiert:07.12.2008

 


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Damals, im Jahre 1875, war es, daß Janssen von der Staatsregierung den Auftrag zur Ausführung jener Wandbogengemälde im zweiten Corneliussaal des neuen Nationalgaleriegebäudes erhielt, deren Motive, wie bereits oben erwähnt ist, der Prometheussage entlehnt werden sollten. Zehn solcher Bogenfelder an den Langseiten und je eine Wandfläche auf jeder der beiden Schmalseiten hatte er mit Gemälden, jene mit halblebensgroßen, diese mit lebensgroßen Gestalten, zu schmücken. Die technische Ausführung sollte in matten Wachsfarben nach Andreas Müllers Rezept geschehen, wovon von vornherein das Anstreben stärkerer farbiger Wirkungen ausgeschlossen war, wie es sich durch die Architektur und die Bestimmung des Raumes von selbst verbot. Die so entstandenen Gemälde beweisen ebenso die Vielseitigkeit der Begabung und des Könnens ihres Urhebers, als seine Kraft der Selbstbeherrschung und jener „Beschränkung“, in der sich nach Goethes berühmten Spruch ja erst der Meister zeigen soll. Aber diese Kompositionen beweisen auch eine ganz ungewöhnliche Fähigkeit der poetisch-malerischen Erfindung, die ihm den gegebenen Stoff eine so große Fülle von Bildmotiven  abgewinnen ließ. So malte er in die Bogenfelder oben über der Langwand zur Rechten Themis, ihrem Sohn Prometheus den einstigen Sturz des Zeus prophezeihend; Prometheus am Kampf der Götter gegen die Titanen teilnehmend; Prometheus Menschen formend, die durch Pallas beseelt werden; Prometheus entflieht mit dem dem Zeus geraubten himmlischen Feuer; er lehrt, in dessen Besitz, die Menschen Künste und Handwerke. Daran schließt sich dann an der Giebelwand der südlichen Schmalseite das große Bild des an den Kaukasus gefesselten Prometheus, dessen Schicksal von den mildherzígen, dem Meeere enttauchenden Okeanostöchtern beklagt wird. Sie umgeben, um ihn zu trösten, den Felsen, auf dem er angeschmiedet liegt, titantrotzig dem Adler entgegenblickend, der heranschwebt, um an ihm die Rache des Zeus zu vollziehen. Okeanos und der Berggott des Kaukasus, in den Giebelecken lagernd, schließen zu beiden Seiten die Komposition, die reichste und schönste von allen, ab. Auf der angrenzenden Wand setzt sich die Bilderreihe fort: das nächste zeigt den Prometheussohn Epimetheus in den Armen der geliebten Pandora, während diese das verhängnisvolle Gefäß öffnet, dem die darin eingeschlossen gewesenen Dämonen des Unheils und Verderbens entsteigen. Es folgt das Bild einer wild bewegten Szene, welche den Verlauf der mythischen Prometheus-Tragödie seltsam unterbricht: mitsamt den ihn bemuítleidend und kalgend umgebenden Okeaniden wird er durch den Zorn des Zeus in den Tartaros hinabgestürzt. Aber das ist nur ein vorübergehendes Internmezzo, eine eingeschobene Episode. Denn das nächste Bild zeigt die befreiende That des Herakles, dessen Pfeil den an des Gefangenen Leber fressenden Adler erlegt. Seiner Fesseln wird Prometheus durch seinen Erlöser und seine Mutter Themis entledigt, und der edle Kentaur Chiron erbietet sich, um Zeus zu versöhnen, statt des Befreiten in den Hades hinab zu steigen. – Das Bild der Aufnahme des entsühnten Prometheus in den Kreis der seligen Olympier schließt hier – nahe der Nischenwand – die Reihe.  Die beiden Felder zu den Seiten der letzteren, in welcher die vergoldete Kolossalbüste des Cornelius ihre Aufstellung gefunden hat, schmückte Janssen dann noch mit den allegorischen Gemälden: der Verkörperung der Ilias mit Thetis, welche die Waffen des Achill trägt, hinter ihr dieser und Patroklos; der Gestalt der Odyssee mit Odysseus und Penelope. Beide Gruppen scheinen aufwärts , dem im Scheitel der Giebelwand dargestellten , gewaltigen Gott Eros, dem Bändiger der Elemente, entgegen zu schweben, in welchem nach der griechischen Auffassung die göttliche Vollkommenheit verkörpert ist.

Dem Reich der antiken Mythe, Sage und Dichtung hat die Stoffwelt sehr fern gelegen, welche die Gegenstände zu den von Janssen während seiner ferneren Laufbahn ausgeführten zahlreichen monumentalen Malereien hergeben mußte. Aber immer zog es seine schönheitsfreudige Künstlerseele doch mächtig an; und zu seiner eigenen Erfrischung und Erquickung, wie um sich zu erholen von dem Malen realistischer Szenen und Gestalten aus der Geschichte der christlichen Jahrhunderte, wandte er sich immer wieder den Götter- und Halbgöttergestalten des alten Hellas zu; er fand seine künstlerische Wonne darin, bald in Bleistift- und Rötelentwürfen, bald in prächtigen Farbenskizzen, zuweilen auch in großen durchgeführten meisterhaften Staffeleigemälden voll Farbenglanz und –Glut die „holden Wesen aus dem Fabelland“, die von ihnen „an der Freude leichtem Gängelband geführten seligen Geschlechter“ und die von ihnen regierte, mit ihnen belebte schöne Welt zu schildern.

Die nächste Aufgabe, die ihm nach der Vollendung jener Prometheusbilder von der Staatsregierung gestellt wurde, war die Weiterführung und der Abschluß einer, von zwei Düsseldorfer Kollegen, Kehren und Commans, nur bis zur Hälfte gebrachten dekorativen Arbeit: eines Gemäldefrieses in der Aula des Lehrerseminars zu Moers, der den Entwicklungsgang oder Hauptmomente der deutschen Geschichte vom Altertum bis zur Gegenwart darstellen sollte. Jene katholischen frommen Maler hatten es nicht über sich vermocht, auch die Periode der Reformation und die ihr folgenden Zeiten künstlerisch zu verherrlichen. Janssen übernahm es für sie und malte die beiden fehlenden Stücke des Zyklus, welche die großen Hauptakte der Reformation, vom Märtyrertode des Johann Huß bis zur Verlesung der Augsburgischen Konfession, und die preußischen Herrscher von Johann Sigismund bis Kaiser Wilhelm und ihr Wirken für das protestantische Bekenntnis und die Glaubensfreiheit veranschaulichen.

Damals wurde der ehemalige Schüler der Düsseldorfer Akademie als Professor und Lehrer der Malerei an sie berufen. Als solcher, wie seit 1895 als Direktor der Anstalt, fand er Gelegenheit, seine eminente Begabung für das Belehren und Leiten der Künstlerjugend, das sich an ihm – ein ziemlich seltener Fall – so glücklich mit dem schöpferischen Talent vereinigt, in immer wachsenden Maße zu bewähren und für die Düsseldorfer Malerschule eine neue Blütezeit heraufzuführen. Gleichzeitig erhielt Janssen einen neuen großen Auftrag, so recht nach seinem Herzen. Er wurde eingeladen, den Saal des neuen Rathauses zu Erfurt mit Gemälden aus der Geschichte dieser Stadt zu schmücken.

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Die Predigt des heiligen Bonifazius

Sieben von diesen Wandgemälden schildern historische Vorgänge in großer Auffassung und monumentalen Zügen; zwei des ganzen Zyklus sind zum Teil allegorische Kompositionen: das erste jener sieben stellt die Bekehrung des Erfurter Gaues zum Christentum durch den heiligen Bonifatius im Jahre 719 dar, wobei die Fällung der dem Gott Wodan geweihten Eiche durch den kühnen, glaubensstarken Apostel als Hauptmotiv gewählt und verwertet ist. Die folgende, von einer Thür durchbrochene Wand schmückte Janssen, die dadurch bedingte Form der Fläche geschickt benutzend, mit den Idealgestalten der mittelalterlichen thüringischen Schutzheiligen St. Martin und St. Elisabeth und mit der Darstellung einer Kinderwallfahrt, wie sie in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in diesen Landen veranstaltet worden sind und die in deren Bevölkerung damals herrschend gewesenen religiös- mystischen Stimmungen charakterisieren. Die Demütigung des geächteten Heinrich des Löwen, der auf dem Reichstag zu Erfurt 1181 dem Kaiser Friedrich für seine vor Alessandria bewiesene Untreue Abbitte zu leisten gezwungen war, bildet den Gegenstand des folgenden Gemäldes. – Das nächstangrenzende schildert die Durchführung des auf dem Reichstage von 1290 unter Rudolf von Habsburg beschlossenen „Gottesfriedens“, die Bezwingung einer jener verderblichen Raubritterburgen, von denen aus Thüringens Volk mit so schlimmen Plagen heimgesucht worden war: die Wegführung der gefangenen adligen Räuber durch das siegesfreudige Kriegsvolk.

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Der Kniefall Heinrich des Löwen vor Kaiser Friedrich Barbarossa, 1181

Die Verherrlichung des durch die 1392 gegründete Erfurter Universität mächtig geförderten neuen, regen Geisteslebens Thüringens ist ein teilweise symbolisches Bild gewidmet. Diese Universität, die Alma Mater Erfurt, ist durch eine hoheitsvolle, in der Mitte thronende ideale Frauengestalt verkörpert. Die von den Bildnisfiguren der berühmtesten von den an dieser Anstalt lehrenden beziehungsweise aus ihr hervorgegangenen Repräsentanten der vier Fakultäten umgeben wird: Martin Luther als dem der Theologie, Gobanus Hesse, dem Philosophen, Amplonius de Berka, dem Mediciner, Henning Goede, den Rechtsgelehrten.

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Die Universität Erfurt

Im schärfsten Gegensatz zum feierlich ruhigen, statuarischen Charakter dieses Gemäldes steht der des nächstfolgenden, der Darstellung eines wild und leidenschaftlich bewegten Vorganges aus der Erfurter Stadtgeschichte zu Anfang des XVI. Jahrhunderts: der Erstürmung des Ratssaales durch das empörte Stadtvolk, dem der verhaßte Obervierherr Heinrich Kellner trotzig stolz und verachtend mit dem kecken Wort entgegentritt: „Die Gemeinde? Die Gemeinde bin ich.“ – Ein für die Freiheit und Selbständigkeit der Stadt Erfurt vernichtendes Ereignis aus ihrer Vergangenheit gab den Gegenstand des folgenden Bildes: der Einzug des Kurfürsten von Mainz Philipp von Schönborn, der sich Erfurt unterworfen hatte, im November 1664, und der Huldigungsakt der Stadt. Die dabei entfaltete äußere, kostümiche Pracht, durch welche das Bild der Szene eine besonders reiche Farbigkeit erhielt, hat dem Stoff für den Maler wohl seinen Hauptreiz gegeben.

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Einzug des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn in Erfurt, 1664

Die Fläche der nächsten Wand, in die wieder eine Tür einschneidet, schmückte Janssen mit einem geschickt in die dadurch bedingte Raumform hineinkomponierten Bilde einer anderen freudigeren Huldigung, welche die Bürgerschaft des preußisch gewordenen Erfurt dem die Stadt besuchendem Königspaar Friedrich Wilhelm III. Und Luise im Jahre 1803 darbrachte. Zum Vorwurf des letzten Bildes, das diese ganze Reihe schließt, wählte der Maler einen realen geschichtlichen Vorgang in den Straßen Erfurts, der zugleich als ein symbolischer wirkt, da die große Tatsache der Befreiung der Stadt und des Vaterlandes von der französischen Fremdherrschaft  in ihm zum prägnanten Ausdruck gelangt: die Niederreißung jenes hölzernen Obelisken, der 1811 zur Feier der Geburt des „Königs von Rom“ dem großen Napoleon errichtet worden war, durch die Bevölkerung Erfurts beim Einmarsch der Preußen im Jahre 1814. In diesen in Wachsfarben gemalten Wandbildern erscheint Janssens großes, glückliches Talent zur vollster Reife entwickelt. Noch nie waren bis dahin durch einen deutschen Künstler geschichtliche Monumentalgemälde geschaffen und ausgeführt worden, die von Haus aus so malerisch empfunden , so farbig gedacht, so frei von allem Theatralischen, so lebensvoll und lebenswahr, zugleich doch so großen schlichten, echt monumentalen Stils und zu alledem auch noch so technisch meisterhaft gemalt gewesen wären, wie diese.

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Die Zerstörung der Napoleonssäule auf dem Anger, 1814

Wie mächtig und schaffenskräftig auch Janssens Phantasie ist, es geht bei ihm mit dem Erfinden das strenge unablässige Naturstudium immer Hand in Hand und läßt in nie den festen soliden Boden unter den Füßen verlieren. In allem, was er hier und was er seitdem gebildet hat, ist nichts geschwindelt, auf täuschenden Schein, auf schmeichlerischen Effekt, berechnet und nirgends ein Abirren in haltlose Phantasterei: „Die Natur ist aller Meister Meister.“ Das gilt auch ihm für sein eigenes Schaffen wie bei seinem Unterrichten als oberster Grundsatz, der ihn leitet und dem er folgt. Ihm entsprechend hat er die vorgefundenen Formen und Methoden des künstlerischen Studiums und Unterrichts an der Düsseldorfer Akademie, in ihren Zeichen- und Malklassen von Grund aus umgestaltet, das lange Zeichnen nach der Antike auf ein bescheidenes Maß eingeschränkt, das peinlich subtile Ausführen gänzlich verbannt, dafür das beständige Arbeiten nach dem lebenden Modell in der Ruhe wie in der Bewegung gesetzt. Übungen des künstlerischen Gedächtnisses durch die Wiedergabe empfangener Natureindrücke aus der Erinnerung, das Entwerfen farbig gedachter  Kompositionen und die gründliche Schulung in guter malerischer Technik traten in den Vordergrund, und bald wurden auf diesem Wege die glänzenden Früchte gezeitigt, an welchen man den hohen Wert dieser neuen künstlerischen Erziehungsmethoden und die überragende Bedeutung von Janssens persönlicher Lehrbegabung erkennen mag. Sind doch aus dieser Düsseldorfer Schule, seit er ihre Leitung übernommen hat, einige der tüchtigsten und männlichsten künstlerischen Kräfte in der neueren deutschen Malerei hervorgegangen, während die Akademie ehemals unter Schadow und Bendemann als die Pflanzstätte der schwächlichen, damenhaften Talente galt.

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