Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Sophie von Brabant läßt die Marburger Heinrich dem Kinde huldigen. 1248
Bildbeschreibung von Margret Lemberg
Quelle:
© 1985 Margret Lemberg/Gerhard Oberlik:
Die Wandgemälde von Peter Janssen
in der Alten Aula der Philipps-Universität zu Marburg
N.G. Elwert Verlag Marburg
 

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Eine ganz andere Aufgabe hat wohl das erste Bild an der Westwand: "Sophie   von Brabant läßt die Marburger Heinrich dem Kinde huldigen. 1248". Der historische Hintergrund ist das glückliche Ende eines hessisch-thüringischen    Erbfolgestreits. Seit dem Jahr 1248 mußte der Nachfolger des Landgrafen von Thüringen auf seine im Westen gelegenen Gebiete verzichten.

Der Enkel der heiligen Elisabeth wurde Landgraf des neu entstandenen Hessen. Die Prozessionsfahne rechts im Bild mit dem Abbild der heiligen Elisabeth steht symbolisch für die Legitimität des Aktes. Dieses in der Darstellung fast plebiszitär anmutende Ereignis hat Janssen in Hinsicht auf den Bildaufbau und die individuelle Zeichnung der freudig bewegten Menge geschickt gelöst. Wieder verweisen viele maltechnische Einzelheiten diagonal auf den ideellen Mittelpunkt, auf die links hinten hochaufgerichtet stehende Fürstin mit dem Kind. Nicht nur Architekturteile (Mauer, erhöhte Stufen, Dachfirste) laufen auf sie zu, auch die jubelnden Marburger schauen mit dem Betrachter auf Mutter und Kind.

Die gereckten Schwurhände sollen sicherlich nicht nur die Begeisterung für die Dynastie zeigen, sondern passen kompositionell in dieses Konzept. Eine scheinbare Gegenbewegung bilden nur die weiße Fahne mit dem Marburger Reiter und das Panier des Deutschen Ordens am rechten unteren Bildrand, der durch den Spitzbogen der Aulatür beschnitten ist. Die dramatisch geschwenkte Fahne lauft in einer Spitze aus, die unmittelbar auf das der Menge präsentierte Kind hinweist. Versucht man, in diesem Bild mehr als nur ein Ereignis aus der hessischen Landesgeschichte zu sehen, muß man auf die den Marktplatz umsäumende Architektur eingehen: Ein großes Fachwerkhaus, eine romanische Kirche mit hohem Turm, ein Steinhaus, fast eine Burg, mit einem Bogenfenster. All diese Gebäudeteile zeigen kaum den Marburger Marktplatz, sondern eher eine typische mittelalterliche Stadt. Genau so wie auf dem Ordensritterbild und später auf dem Reformatorenbild kam Janssen den Vorstellungen der Zeitgenossen vom Mittelalter entgegen, weniger denen der Marburger, die einen deutlicheren Bezug zu ihrer Stadt durchaus wünschten. Nicht nur in der Malerei, auch in der Architektur, der offiziösen Literatur, der Inneneinrichtung der Repräsentativbauten bis hin zu den Möbeln in den Wohnungen des Bürgertums suchte man die Anknüpfung an das zu Anfang des 19. Jahrhunderts wiederentdeckte Mittelalter. Ein Architekturgemisch, Zitate aus Nürnberg, Goslar, der Wartburg und Köln lagen da in der Assoziation eines Düsseldorfer Malers und eines Berliner Geldgebers wohl näher als ein unbekanntes Marburg. Gerade die Wartburg bot sich als Vorbild für die Gestaltung der Aula an. Dort hatte man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Räume im neogotischen Stil dekoriert. Die Renovierungsarbeiten, die relativ bescheiden mit den Fresken Moritz von Scbwinds begonnen hatten, gipfelten in dem goldprunkenden, byzantinisierenden Mosaikenzyklus der Elisabeth-Kemenate, der im gleichen Jahr wie die Marburger Aulabilder entstanden ist. Gemessen daran wirken die Mittelalterzitate Peter Janssens zurückhaltend.

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