Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Dominikaner überlassen ihr Kloster der Universität. 1527
Bildbeschreibung von Margret Lemberg
Quelle:
© 1985 Margret Lemberg/Gerhard Oberlik:
Die Wandgemälde von Peter Janssen
in der Alten Aula der Philipps-Universität zu Marburg
N.G. Elwert Verlag Marburg
 

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Gegen das laute Schlachtengetümmel hebt sich das klare und ruhige linke Bild an der Nordwand der Aula ab: "Dominikaner überlassen ihr Kloster der Universität. 1527". Dieses wohl am strengsten komponierte Bild des    Zyklus besticht nicht nur durch seinen Aufbau und durch die Wahl der Farben - die weißen Ordensgewänder mit den schwarzen Mänteln betonen durch ihre senkrechten Linien den diagonal angeordneten Zug von links hinten aus   einem dunklen Torbogen nach vorn rechts ins Licht -, sondern auch durch die Porträts der Mönche, bei denen Janssen im deutlichen Unterschied zum Elisabethbild auf grobe Überzeichnungen verzichtet.

Im Konrad-Elisabeth-Bild sollte gezeigt werden, wie ein brutaler Machtmensch eine Heilige bedroht, deren Antlitz die Glattheit und Ausdruckslosigkeit der "süßen" Heiligenköpfe des ausgehenden 19. Jahrhunderts spiegelt; die Gesichter der Kranken wirken irr und verzerrt.

1527 dagegen, so die bewußte Aussage des Gemäldes, wurde im evangelischen Hessen das re1igiöse Leben nicht mehr von Gewalt bestimmt. Selbst der Auszug der Mönche vollzog sich in vernünftigen Bahnen: Philipp der Großmütige sicherte den Klosterleuten Leibrenten zu und erlaubte, daß sie ihr kirchliches Hab und Gut mitnehmen durften, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt. So tragen viele der jungen wie alten Patres deutlich sichtbar Meßbücher und Reliquienkästchen, und der Leiterwagen, der links ins Bild hineinragt, nimmt die zusätzlichen Gepäckstücke auf, vor allem eine schwere Kiste, die sicherlich wertvolles Klostergut enthält.

Die Betonung der vernünftigen neuen Zeit schließt nicht aus, daß Janssen den Gesichtern der Paters individuelle Züge verleiht, die an Vorurteile aus Literatur und tradierten Spottgesängen erinnern. Zwar gibt es kluge Gesichter, die mit Arroganz oder Verschlossenheit den Ernst der Stunde überspielen; aber auch Mönche mit glattem oder stumpfen Antlitz lassen den Betrachter eher an Essen und Trinken denken als an das Ende der Dominikaner in Marburg.

Die von Janssen so geliebte Menge darf in diesem Bild nur die Köpfe hinter dem Mönchszug recken, mit Ausnahme eines Jungen, der auf einen Baum geklettert ist. Kinder hat der Maler auch auf dem Reformatorenbild und auf dem Sophie-von-Brabant-Bild zur Auflockerung gebraucht; auf dem letzteren ist es ein blumengeschmücktes Mädchen, das den Betrachter anschaut, und ein Junge, der die Blickrichtung zur Fürstin hin unterstützt, indem er die Mauer, die zu den Stufen führt, hinaufklettert; auf dem Reformatorenbild begleitet u. a. ein laufendes Kinderpaar die Theologen, und ein an Leibl gemahnendes Mädchen am linken Bildrand wirkt geradezu anrührend.

Die wichtigste Aussage des Bildes, die den Zeitgenossen Janssens stärker bewußt war, muß uns Nachgeborenen ins Gedächtnis gerufen werden: Die Mönche verlassen ihr Kloster, das zusammen mit zwei anderen Marburger Klöstern seit 1527 die erste evangelische Universität Deutschlands beherbergen sollte, den Ort, auf dem der Neubau der Universität 1873 mit seiner imposanten Aula errichtet wurde. Der genius loci wurde also mit diesem Bild mehrfach
beschworen.

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