Das Bild weist auf ein Ereignis in der Reichspolitik hin, das seinen
Abschluß in Erfurt fand. Der Welfe Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern
und Sachsen, unterstützte ursprünglich die Reichspolitik Kaiser
Friedrichs I. und dessen Kampf gegen die universalen
Herrschaftstendenzen des Papstes. Friedrich, der einen großen Teil
Deutschlands Heinrich überlassen hatte, versuchte den Schwerpunkt seiner
Politik nach Oberitalien zu verlegen. Heinrich aber verweigerte 1176 dem
Kaiser die Heeresfolge gegen die um ihre Freiheit kämpfenden
oberitalienischen Städte. Das hatte zur Folge, daß die Städte das
geschwächte kaiserliche Heer bei Legnano besiegten Es trat eine
ernstliche Entfremdung zwischen Barbarossa und Heinrich ein. Nachdem
noch andere Schwierigkeiten hinzugekommen waren, wurde im Jahre 1180 die
Reichsacht über Heinrich verhängt. Vergebens suchte er Widerstand zu
leisten, aber er unterlag der vereinten Macht von Kaiser, Fürsten und
Bischöfen. Im November 1181 unterwarf sich Heinrich der Löwe dem Kaiser
in Erfurt, verlor jedoch den größten Tei1. seiner Länder und ging in die
Verbannung.
Heinrichs Kniefall fand in der Erfurter
Klosterkirche St. Peter statt, der Versammlungsstätte des Reichstags.
Dementsprechend versetzt Janssen die Szene in einen als mittelalterlich
gekennzeichneten Kirchenraum: wir erblicken im Hintergrund eine als
Wandbild vorzustellende Abendmahlsdarstel1ung, rechts ist der Raum
begrenzt durch einen Pfeiler.
Im Mittelgrund des Gemäldes hat der größte Teil
des kaiserlichen Gefolges Platz genommen, während im Vordergrund für den
Kaiser ein Podest, zu dem drei Stufen hinaufführen, errichtet ist. Auf
der zweiten und dritten Stufe kniet, von einem weiten Mantel umhüllt,
das Haupt von der Helmbrünne umschlossen, Heinrich der Löwe. Er stützt
sich dabei auf der obersten Stufe mit den Händen vom Boden ab, so daß
sein Knien eher wie eine zeremonielle Pflichtübung denn als wirkliche
Demütigung vor dem Kaiser erscheint. Heinrichs Gesichtsausdruck, wie er
sich vor allem in den fest aufeinandergepreßten Lippen zeigt, läßt keine
innere Bewegung erahnen, und das entspricht seiner formel1en
Demutshaltung.
Ähnlich verhält sich der Kaiser. Er steht groß
aufgerichtet ruhig vor seinem Thron und hat nur leicht das mit einem
Kronreif bedeckte Haupt zu dem vor ihm knienden Vasallen geneigt. Dabei
hat Friedrich die Hände seitwärts wie zu einer Versöhnungsgeste leicht
angehoben und geöffnet. Er trägt einen schlichten, nur um die Schulter
mit einem rautengemusterten Besatz geschmückten Mantel über dem in sich
gemusterten Untergewand, aus dem die Ärmel andersfarbig herauskommen.
Die Würde in Friedrics Gestalt wird unterstrichen durch den den Kaiser
hinterfangenden dunklen Vorhang, der ihn vom Mittelgrund und damit von
seinem Gefolge isoliert. Kaiser und kniefälliger Vasall begegnen sich -
und das wird durch die Profilstellung der Hauptgestalten unterstrichen
-n einer vorgeschriebenen und kontrolliert sblaufenden höfischen
Handlung. Das kommt auch in der Handlung der Vertreter der Reichsstände
zum Ausdruck: im Vordergrund rechts sitzt, ebenfalls im Profil, ein
Kurfürst, der, das Schwert zwischen den Beinen, den Kniefall Heinrichs
mit ernst-gelassenem Gesichtsausdruck verfolgt. Die links hinter ihm
stehenden Fürsten, von denen der eine als Bischof mit Krummstab, Mitra
und Kasel gekennzeichnet ist, blicken ebenso ernst, der weltliche Fürst
fast grimmig, auf den knienden Heinrich. Dieser ist weiter zur Mitte hin
wirkungsvoll - von zwei Kriegern von dem kaiserlichen Gefolge isoliert.
So wird die Bedrohung, die Heinrich für das
Reich bedeutete, in den wie warnend gegen ihn aufgestellten Kriegern mit
aufgepflanzter Lanze deutlich. Die eigentliche Hauptszene im Vordergrund
wird am linken Bildrand - kompositionell entsprechend dem rechts
sitzenden Kurfürsten - durch den im verlorenen Profil einwärts ins Bild
schauenden Hofbeamten, vor dem ein sitzender junger Schreiber gespannt
den Fußfall des großen Vasallen beobachtet, und den hinter dieser Gruppe
zur Seite gerafften Vorhang gerahmt.
Die so statuarisch wirkende Szene des
Vordergrundes ist auch im Mittelgrund kaum gelockert. Wir blicken
zwischen den Kriegern und dem Bischof auf eine im Gespräch befindliche
Gruppe, in der ein vorne sitzender dunkel gekleideter Fürst den hinter
ihm befindlichen Würdenträgern mit der Linken das Geschehen 1m
Vordergrund erläutert und sich dabei ihm zuwendet. Von links blickt ein
bärtiger Kurfürst ernst auf den sich umwendenden Gesprächspartner.
Rechts hinter dem Kurfürsten wird ein eigenartig dicker Kopf sichtbar,
der wie der sich von hinten stehend vorbeugende Zuhörer eine lebendige,
leicht humorvoll getönte Note in den Ernst der Situation bringt. Am
rechten Bildrand schließen, indem sie über dem Kopf des vorne sitzenden
Kurfürsten sichtbar werden, noch drei Personen des Gefolges den
Mittelgrund nach hinten ab.