Auf der Südseite der Arkadenwand entspricht dem Bild "Junge
Liebe" der "Abschied". Über dem Zinnenkranz des Dekorationssystems sehen
wir im Zentrum zwischen den Arkadenbogen den Tod des Burgherrn in den
Armen seiner Frau. Wie auf der Vorderseite sind auch hier die Personen
meist in Dreiviertel ihrer ganzen Größe hinter dem Zinnenkranz
dargestellt.
Der Burgherr hat
offensichtlich im Stehen einen Schwächeanfall erlitten und wird, indem
er mit Kopf und Brust sich noch seitwärts an der Schulter der Frau
anlehnen kann, von dieser mit beiden Händen festgehalten. Die Gestalten
stehen in den Raum hinein ein wenig schräg zueinander. Die Frau neigt
sich zu ihrer Linken etwas nach vorne, um dem schwergewordenen Kopf des
Mannes an ihrer rechten Schulter den letzten Ruheplatz zu geben. Die
Augen des gealterten t1annes, der nur noch wenig Haar hat, sind
geschlossen, sein Mund schräg nach unten verzogen. Noch liegt seine
linke Hand im Winkel des Ellbogens der Frau, aber seine Rechte wird
links von einem dort schwebenden Engelputto gehalten, womit freundlich
der Übergang aus dem Leben in den Tod umspielt wird. Vor dem Burgherrn
steht unten ein anderer Engelputto mit ausgebreiteten Flügeln in großem
Schritt nach links: dieser Putto umfaßt mit seinen Kinderhänden den
sterbenden Mann, gleichsam um ihn festzuhalten.
Der Burgherr ist in
einen weiten pelzgefütterten und an den Vorderleisten pelzverbrämten
Mantel gekleidet, die Burgfrau trägt über einem plissierten Seidenrock
ein ebenfalls pelzbesetztes Mieder, aus dem an der Schulter gepuffte,
sonst enganliegende Ärmel hervorkommen. Auf dem Kopf trägt die
Burgherrin eine große, von einem Band vorne zusammengehaltene, sich nach
hinten verbreiternde Haube. Man sieht das Gesicht der Frau in starker
Verkürzung von oben, da sie sich sehr zu dem sterbenden Mann nach unten
neigt. Der an der Hüfte hängende große, mit drei kleinen Säckchen
besetzte Beutel mit großem runden Verschluß kennzeichnet die Frau als
die Wirtschafterin des Hauses.
Rechts vor der
Burgherrin, nur mit dem seitwärts von hinten gesehenen Oberkörper
sichtbar, steht ein wegen seiner kurzen Haare männlich wirkender
weißgekleideter junger Engel mit großen bis zum oberen Bildrand
reichenden Schwingen. Leicht vorgeneigten Kopfes legt er der Burgherrin
beide Hände sanft an die Schulter, wie um sie behutsam zu stützen und zu
trösten. Im unteren Drittel des Bildes wird im Hintergrund eine
bildparallel die Szene hinterfangende Wand sichtbar. Sie staffelt den
Raum zwischen den Figuren im Vordergrund im Zusammenhang mit dem oberen
dunklen Hintergrund. Der Übergang zum aufsteigenden Arkadenbogen zeigt
auf der linken Seite einen dunkelgekleideten großen Engel, der dem
Hausherrn mit der Linken sacht die Schulter berührt und in der rechten
Hand ein großes Stundenglas hochhält, dessen unterer Teil mit Sand
vollgelaufen ist die Lebenszeit des Hausherrn ist also beendet. Der
Engel schaut mit seinem durch die langen gelösten Haare fraulich
wirkenden Gesicht mitleidig zu dem Sterbenden und hält die Flügel
seitlich ausgebreitet, wobei der in die Szene gerichtete wie ein Schutz
für den Sterbenden über dessen Schulter steht. - Über dem Kopf des
Mannes erscheint in einer die obere Wandabschlußleiste übergreifenden
Strahlensonne ein lateinisches Kreuz mit ein wenig sich verbreiternden
Enden. Es zeigt zusammen mit dem Engel, der die Lebensuhr hält, daß der
Burgherr im, Zeichen christlicher Hoffnung stirbt.
Dementsprechend sind
auch die Engelsgestalten in den Zwickeln der Arkade zu verstehen. Wie
die auf der Arkadenvorderseite schweben auch sie über den Wolken
oberhalb der Zinnen. Der Engel links ist in leichter Schrittstellung,
den Oberkörper mit den weitgeöffneten Armen ein wenig nach rechts
vorschiebend, dargestellt. Nach rechts weist auch das in feinem Schwung
sich öffnende eine Flügelende. Der weiblich-zarte Kopf des Engels mit
halblangem vollen Haar erscheint ganz im Profil. Über der hemdartigen
Kleidung trägt die Gestalt einen zusätzlichen, sich über den Schultern
teilenden Überwurf, der links zum Bildrand hin flattert. Der
Gesichtsausdruck des Engels und die weit geöffneten Arme zeigen, daß er
den Sterbenden freundlich empfangen will. - Im Zwickel auf der rechten
Seite kommt über den Wolken ein ebenfalls weiblicher Engel mit einem
Palmzweig in der rechten Hand, in den er mit der Linken locker
hineingreift, heran. Auch dieser Engel ist vorgebeugt, sein Profilkopf
mit langern, lockigem Haar wird von dem rechten Flügel hinterfangen,
während der andere nach vorne gebogen ist und unten die Gestalt leicht
überschneidet. Wie auf der Arkadenvorderseite hat auch dieser Engel mehr
Raum im Zwickel als sein Gegenüber links. Von dem Palmwedel hängt ein
Band herab, das sich im leeren Raum unter den Armen des Engels ringelt.
Das Obergewand der Figur mit weiten Ärmeln hat um die Hüfte einen
geschlitzten Stoffwulst, ein Faltenbausch weht dem Engel hinten nach.
Die Palme ist in der
christlichen Kunst Symbol des Lebens, des Sieges und des
Paradieses.(147O) Im Zusammenhang mit der Sterbeszene ist also der
Palmzweig in der Rechten des einen Engels im Arkadenzwickel als
Verheißung des Paradieses zu deuten, da der Burgherr im Zeichen des
Kreuzes stirbt und auch der Engel im Zwickel links mit der freundlichen
Aufnahmegeste auf ihn zuschwebt.
"Erste Liebe" und
"Abschied" sind auf den Arkadenwänden als Anfangs- und Endstation des
Zusammenlebens der Burgfrau mit dem Burgherrn in Art von Gegenstücken
aufeinander bezogen, obwohl man sie nur sukzessiv und nicht simultan
betrachten kann. Die Zueinandergehörigkeit der Bilder wird
inhaltlich-formal durch die Engelputten und die großen Engel in ihren
auf das Menschenpaar bezogenen Handlungen unterstrichen. Wenn im Bild
"Erste Liebe" der junge Mann etwas größer als die Frau ist und auf diese
Weise seine Schutzfunktion für sie besonders sinnfällig wird, so hat der
Künstler auf der Arkadensüdseite dadurch, daß der sterbende Burgherr
durch seine Frau aufgefangen und gestützt wird, das Verhältnis der
Partner zueinander umgekehrt. Damit ist zur Vorderseitendarstellung der
Arkade eine sinnvolle Variation gegeben, welche der Burgherrin das
"letzte Wort" zuerteilt, denn sie bleibt in der Vorstellung des
Betrachters als Lebende zurück. Möglicherweise schließt diese Deutung
erst den Sinn der Darstellungen "Erste Liebe" und "Abschied" völlig auf:
es entspricht einem allgemeinen Lebensgesetz, daß ein Ehepartner den
anderen überlebt bzw. zurückbleibt. So wären diese Darstellungen
zusammen mit den christlich-antiken personalen und zeichenhaften
Symbolen als eine die Lebenserfahrung von Sich-Finden und
Scheiden-Müssen überhöhende sinnbildliche Darstellung zu verstehen. In
diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, daß nach dem
Vierergutachten von 1897 der Raum für kleinere Feste dienen sollte, die
durch solche symbolischen Gemälde wie "Erste Liebe" und "Abschied" einen
besinnlichen Hintergrund erhielten.