Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Bildbeschreibung zu den Wandgemälden im Festsaal des Erfurter Rathauses
Die Zerstörung der Napoleonssäule auf dem Anger, 1814, 312 x 413 cm
Quelle
: Dr. Dietrich Bieber, Peter Janssen als Historienmaler (Teil 2)
Rudolf Habelt Verlag GmbH - Bonn 1979
 

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Nach der Niederlage Preußens bei Jena und Auerstädt im Jahre 1806 wurde Erfurt von den Franzosen besetzt. Durch den Vertrag von Tilsit mußte das Erfurter Gebiet von Preußen getrennt werden. Napoleon nahm Erfurt für sich und damit für Frankreich in Anspruch. Sieben Jahre dauerte die Fremdherrschaft Und Ausbeutung. Der Stadt entstand in dieser Zeit eine Schuldenlast von 20 Millionen Franken, abgesehen von den hohen Aufwendungen, die die Bürgerschaft zu tragen hatte. Kleine Auflehnungsversuche patriotischer Einwohner gegen die Unterdrückung waren vergebens. Die in der Bürgerschaft aufgespeicherte Erbitterung führte zu einem blutigen Zusammenstoß mit dem Feinde in der Stunde, in welcher die Befreiungstruppen in Erfurt einzogen. 

Die jubelnde Volksmenge durchbrach die noch von den französischen Truppen gestellte Absperrung. Ein französischer Offizier ließ schießen und Husaren in die Menge reiten. Es kam zum Handgemenge, wobei der Offizier von einem Kaufmanndiener mit einem Bajonett erstochen wurde. Dann wendete sich die Menge gegen den 1811 auf dem Anger zu Ehren Napoleons errichteten hölzernen Obelisken und steckte dieses "Denkmal speichelleckerischer Schmeichelei", wie es ein Zeitgenosse nannte, in Brand.

Wie schon im Tollen Jahr verbindet Janssen auch auf diesem Bild zwei Handlungsabläufe zum dramatischen Höhepunkt. Der erstochene französische Offizier liegt unten rechts auf den Treppen zum Holzobelisken. Die Füße des Offiziers weisen in den Hintergrund, wo man zwei Erfurter Bürger erkennt, denen ein französischer Soldat haltgebietend entgegentritt. Vor der Gruppe liegen offensichtlich Teile des bereits zerstörten Gitters des Holzobelisken. Der linke Arm des toten Offiziers weist hingegen - vor allem in Verbindung mit dem linken Bein des vor dem Obelisken knienden Jungen – in Richtung der Bildmitte, wo die Haupthandlung stattfindet. Kompositionell ist die Figur des toten Offiziers gleichsam die Angel der Handlung.

Die Hauptperson des Bildes ist ein Mann aus dem Volk, ein hühnenhafter Handwerker mit großer Lederschürze. Er steht in Dreiviertelansicht breitbeinig, mit aufgekrempelten Ärmeln da und ruft, den Blick auf den Betrachter gerichtet, zum Widerstand auf. Dabei hält er in der ausgestreckten Linken eine brennende Fackel hoch, während er mit der halbgesenkten rechten Hand entweder ein Werkzeug oder ebenfalls eine Fackel in ein großes Loch hält, das bereits in den Unterbau des Obelisken, der aus Holz und Leinwand besteht, gerissen ist. In diesem Loch sieht man ein kräftiges Feuer lodern. Seine Rauchwolken ziehen hinter dem Gesellen in dicken Schwaden nach rechts oben ab. 

Ein zu Füßen des Volkshelden kniender Junge macht sich ebenfalls an dem Loch zu schaffen. Die linke Bildhälfte ist im wesentlichen ausgefüllt mit weiteren Erfurter Bürgern, die bei per Zerstörung des Obelisken helfen. Im Vordergrund schleppen zwei jüngere Männer, schon auf den Stufen stehend, in angestrengt-gebückter Haltung ein Holzfaß mit brennbarem Inhalt heran. Mit seiner weißen Schürze und dem weißen Haarkäppchen als Bäcker oder Müller gekennzeichnet, ist der links im Vordergrund stehende Mann durch das Holzfaß mit seinem Partner verbunden. Dieser ist mit Stulpenstiefeln, enger Hose und langem Überrock wohl als Bürger höherer Schicht, vielleicht als Student, anzusehen. Weiter links zum Bildrand sind ein Junge und dahinter ein Mann dargestellt. Der Junge kniet auf der zweiten Stufe zum Obelisken und hält Holzscheite unter dem Arm, um damit das Feuer zu schüren. Der Mann hinter ihm trägt gebündelte Reise als Brennmaterial heran. Während er über seine Schulter aus dem Bild schaut, als ob er sich nach jemand umsähe, blickt der Junge wie gebannt in die Richtung des zu zerstörenden Obelisken. An der linken Ecke des Denkmals beobachten wir noch zwei andere junge Männer: der weiter links stehende hackt mit einem Gerät auf die Seitenwand des Obelisken ein, der an der Vorderseite reißt mit den bloßen Händen das Verkleidungsmaterial des provisorischen Denkmals herunter. Es ist die Stoffbahn, auf der noch die Worte zu lesen sind: Napoleon dem Grossen. 

Ganz links am mittleren Bildrand schaut ein Kind zu dem Volkshelden auf. Links seitwärts des Mannes mit dem Hackgerät steht hinter diesem Kind schräg an den Obelisken eine Leiter angelehnt. Schon hat sie jemand bestiegen, von dem man nur noch die Füße sieht, um von oben den Obelisken mitzuzerstören.

Im Vordergrund des Bildes links liegt gehäuftes Stroh zum Anfachen des Feuers, wie auch auf den Stufen des Obelisken zum selben Zweck Holzstücke umherliegen bzw. noch eine Axt als Zerstörungsgerät. Die Bildszene schließen links im Hintergrund einige Häuser, die nur leicht in die Tiefe führen, da der Unterbau des Obelisken in der Höhe vollständig und auch in der Breite den Bildraum sehr ausfüllt, wodurch die Szene auch sehr nahsichtig erscheint.

 

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