Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Bildbeschreibung zu den Wandgemälden im Festsaal des Erfurter Rathauses
Erfurt huldigt dem König von Preußen, 1803, 312 x 413 cm
Quelle
: Dr. Dietrich Bieber, Peter Janssen als Historienmaler (Teil 2)
Rudolf Habelt Verlag GmbH - Bonn 1979
 

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Infolge der Siege Napoleons über das Deutsche Reich wurde durch den Friedensvertrag von Luneville (1001} das linke Rheinufer Frankreich bestätigt. Den dadurch geschädigten deutschen Fürsten waren bereits im Frieden von Campo
Formio ( 1797). Ersatzgebiete in Deutschland versprochen worden, die aber erst nach Inkrafttreten des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 verteilt wurden. Dabei fiel Erfurt an Preußen. Bereits am 21. August 1802 hatten die preußischen Truppen die Stadt eingenommen und am 30. Mai 1803 Friedrich Wilhelm III und die Königin Luise unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Erfurt besucht. Am 10. Juli 1803 fand in Hildesheim die Erbhuldigung der neu an Preußen gekommenen Gebiete statt, an der "auch die Erfurter Abgeordneten des Adels, der Geistlichkeit, der Bürger und Bauern dem neuen Landesherrn den Treueid" leisteten.

Das dritte Türbild nimmt allegorisch Bezug auf diese Erbhuldigung, indem es die Vertreter der vier Stände am Thron des preußischen Königspaares zeigt. Links vom Betrachter stehen - von vorne nach hinten gesehen - ein  protestantischer Geistlicher, ein Adliger und hinter ihm vermutlich der Erfurter Weihbischof. Auf der vom Betrachter aus rechten Seite steht vorne der Bürger, hinter ihm der Bauer. Die Vertreter der Stände, ausgenommen der Adlige, der mit dem Körper in Rückansicht gegeben ist, sind mit ihren Köpfen und Körpern weitgehend im ProfiL dargestellt. Während der Bischof, der Adlige, der Bürger und Bauer die Hände teils im Schwur zum Königspaar erheben, verneigt sich der evangelische Geistliche mit geschlossenen Augen und über der Brust gekreuzten Händen ehrfurchtsvoll vor ihm. Das Königspaar sitzt auf einem durch eine Stufe erhöhten Thron. Darin und in den Seitenlehnen gleicht er dem der Alma mater" auf dem zweiten Türbild.

Friedrich Wilhelm III hat auf der rechten Thronseite Platz genommen. Die rechte Hand mit den weißen Handschuhen läßt er lässig von der Seitenlehne herabhängen. Auch die Beinstellung mit dem leicht vorgesetzten rechten Fuß ist locker. Dementsprechend blickt der König mit nur leicht gewandtem Kopf zur Seite von Bürger und Dauer gemäß dem allegorischen Charakter des Bildes mehr über sie hinweg als zu ihnen hin. Der König trägt den leger geöffneten etwa knielangen Mantel über dem hochgeschlossenen Waffenrock mit dem Schwarzen Adlerorden auf der linken Brustseite. Die weiße Reithose steckt von den Knien an in hohen schwarzen Stiefeln. Auf den vorgestellten rechten Fuß hat der König den Degen gesetzt, den er locker mit der Linken seitlich am Oberschenkel hält.

Königin Luise sitzt, den Arm des Königs einhakend und dabei ihre Hände faltend, neben ihm. Sie lehnt sich etwas schräg nach hinten an ihren Mann an. Diese Haltung wirkt unzeremoniell und familiär, sie bringt das vertrauliche Verhältnis zwischen den Ehepartnern zum Ausdruck. Die Königin hat die Haare hinten in einem Seidentuch zusammengefaßt, das auf der Lehne des Throns zu ihrer Linken aufliegt. Über dem nur in Brustauschnitt und Hüftansatz sichtbaren dekolletierten Kleid trägt Luise als Zeichen ihrer Königswürde einen hermelingesäumten Umhang, der ihren Körper in weichem Fall umschließt.

Das königliche Paar sitzt vor einem Transparent, in dem über seinen Köpfen inmitten einer Strahlensonne die Jahreszahl 1803 sichtbar wird, eine Anspielung auf das Jahr, in dem Erfurt an Preußen kam. Das Transparent ist mit über Kreuz geschnürten Bändern an hinten seitlich des Throns angebrachten Pfosten befestigt, an denen nach außen zu hermelingesäumte Stoffbahnen bis zum Boden des Throns herunterhängen. Seitlich der Pfosten sind kartuschenartige Tafeln mit Jahreszahlen mittels Bändern zwischen den Pfosten hinter dem Thron und den Säulen aufgehängt. die rechts und links am Bildrand nach eben sichtbar werden. Die Tafel links des Betrachters enthält groß die Jahreszahl 1855, die Tafel rechts von oben nach unten die Jahreszahlen 1813-15, 1864: 1866, 1870-71. So beziehen sich die Zahlen auf der Tafel rechts auf die von Preußen geführten Kriege, an denen Erfurt nun auch beteiligt war: 1813-15 die Befreiungskriege, 1864 den deutsch-dänischen, 1866 den preußisch-österreichischen und 1870/?1 den deutsch-französischen Krieg. Vielleicht ist die Jahreszahl 1865 auf der Tafel links ein Hinweis auf die in diesem Jahr erstmalig veranstaltete "Grosse Blumen-und Fruchtausstellung" in Erfurt? Die Tafeln mit den Jahreszahlen sind mit bändergeschmückten Ehrenkränzen behängt, welche die Zahlen in ihrem Rund einfassen, und hängen vor dem die Bildfläche schließenden und wie bei den anderen Türbildern gemusterten Goldgrund, wirken aber zugleich auch ein wenig daran befestigt.

Die Vertreter der Stände sind im Kostüm klar voneinander unterschieden. Den Weihbischof erkennt man vor allem an der Mitra. Der vor ihm stehende Adelsvertreter trägt einen knielangen, an den Schößen bestickten, am Kragen und an den Manschetten mit Samt abgesetzten Überrock über weißen Seidenstrümpfen in Schnallenschuhen. Zur Linken hängt ihm der Degen. Der protestantische Geistliche hat einen schwarzen Talar an, dazu den sogen. Mühlsteinkragen. Die in einem Zopf endigende Haartracht mit zwei Lockenwellen oberhalb des Ohres ist vielleicht eine Amtsperücke. Auf der anderen Thronseite vorne zunächst der Vertreter des Bürgertums mit leicht gelichtetem Haar. Er trägt über hellen Strümpfen mit schwarzen Schnallenschuhen einen dreiviertellangen dunklen Überrock mit zugehörigem kurzen Schultercape, das schwarze Ärmel freigibt. In der Linken hält der Vertreter der Bürger weiße Handschuhe und einen breitrandigen Zylinder. Hinter ihm steht der Bauer in kurzem, hellem kittelartigen Gewand über  gamaschenbekleideten Beinen. Er hält über der linken Schulter eine Hacke und hat eine Sacktasche am Gürtel angebunden, wie Sämänner sie tragen.

Da das Königspaar in seiner Körpergröße den ihm huldigenden Ständevertretern entspricht, ist in diesem Gemälde ein perspektivisches Hervortreten der Mitte , wie es bei dem zweiten Türbild zu beobachten ist, nicht festzustellen. Doch ist auch hier bei flächenhaft geschlossenem Hintergrund die Allegorie als real-räumliche Szene gegeben.

 

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