Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Bildbeschreibung zu den Wandgemälden im Festsaal des Erfurter Rathauses
Einzug des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn in Erfurt, 1664, 312 x 413 cm
Quelle
: Dr. Dietrich Bieber, Peter Janssen als Historienmaler (Teil 2)
Rudolf Habelt Verlag GmbH - Bonn 1979
 

Hier klicken für vergößerte Ansicht


Politisch war die Erfurter Geschichte vom 15. bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts ausgefüllt mit der Abwehr ständiger Angriffe des erzbischöflichen Landesherren auf die Selbständigkeit der Stadt. Ein letzter Versuch Erfurts, sie zu erlangen, scheiterte bei den Friedensverhandlungen zum Dreißigjährigen Krieg am Widerstand der Kurfürsten von Sachsen und Mainz, obwohl Schweden die Bemühungen der Stadt unterstützte. 

Da Erfurt sich den Forderungen seines Landesherrn, des Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz, nicht fügte, wurde es in die Reichsacht erklärt und ihre Vollstreckung dem Erzbischof übertragen. Mit Hilfe von 15 000 französischen Söldnern ließ er die Stadt belagern. Nach mehreren Wochen ergab sie sich bedingungslos am 5. Oktober 1664. Am 12. Oktober zog der Kurfürst in Erfurt ein und nahm in feierlicher Form die Unterwerfung des Rates entgegen.

Das Bild stellt den Einzug des Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn und des französischen Generals Pradel sowie die Übergabe der Stadtschlüssel durch den Rat dar. 

Wie die Erläuterung des Bildes durch Wiegand sagt, hat Janssen hier zwei Darstellungen vereint: den Einzug des Kurfürsten und die Übergabe der Stadtschlüssel bzw. "die Erbhuldigung der Bürgerschaft" (441), die erst am 18. November 1654 stattfand.

 Das Gemälde ist ein Repräsentationsbild. Im Blickpunkt der Darstellung sitzt auf geputztem Schimmel im kurfürstlichen Ornat über dem Reitergewand Johann Philipp von Schönborn. Er trägt als Zeichen seiner geistlichen Macht ein Brustkreuz und schaut mit seinem gepflegten bis auf die Schulter fallenden Haar eigentlich streng auf den Betrachter, nicht auf die vor ihm knienden oder stehenden Vertreter der Erfurter Bürgerschaft. Hinter dem Kurfürsten, ebenfalls zu Pferd, der französische General de Pradel; er sitzt auf einem Braunen und ist samt seinem Pferd von dem vor ihm befindlichen Kurfürsten so überschnitten, daß nur sein Oberkörper bzw. Kopf und der vordere Körper des Tieres sichtbar werden. Johann Philipp und der französische General bilden eine wirkungsvolle Zweiergruppe, die durch den Hell-Dunkel-Kontrast zwischen den verschiedenfarbenen Pferden und Kleidungsstücken der beiden Sieger, hell bei Johann Philipp, dunkel bei Pradel, gesteigert wird. Während der Kurfürst den Kurhut in der rechten Hand hält, trägt der General einen federbesetzten großen Hut auf dem Kopf und stützt er seine Rechte auf einen Feldherrnstab. Auch Pradel schaut reserviert-gleichgültig aus dem Bild heraus auf den Betrachter.

Da Johann Philipp in der Helligkeit seiner Erscheinung mit dem Pferd den optischen Mittelpunkt des Gemäldes bildet und ohne Überschneidung gegeben ist, wirken die anderen dunkler gemalten Gestalten von Pradel bis über die rechts vom Mittel- zum Vordergrund hin stehenden Ratsherren und die am linken Bildrand befindlichen schön posierenden Soldaten als rahmender Halbkreis. Den Bildmittelgrund schließen links die vom Rand überschnittenen drei Gestalten zu Pferde, wahrscheinlich höfische Begleiter des Kurfürsten, ab. Hinter ihnen werden im Hintergrund - durch eine niedrige Mauer abgetrennt - die Köpfe weiterer Soldaten noch eben sichtbar. Auch hinter Pradel bis zu dem das Bild rechts abschließenden beschädigten Stadttor stehen Soldaten und demonstrieren die Macht, die Erfurt zur Übergabe zwang. 

Vor diesem Stadttor haben sich die Ratsherren versammelt, um dem Kurfürsten die Schlüssel zur Stadt zu übergeben. So knien im Vordergrund mit dem Rücken zum Betrachter und damit im größtmöglichen Kontrast zu den berittenen Siegern drei festlich mit purpurverbrämten Talaren und Mühlsteinkragen gekleidete Ratsherren. Sie halten auf Kissen die Stadtschlüssel vor sich, wie man seitlich bei den beiden ersten Knienden sehen kann. Während die Gesichter dieser Ratsherren bis auf das neutral wirkende des am meisten rechts knienden nicht zu erkennen sind, bilden die der weiter rechts hin stehenden Ratsherren einen starken physiognomischen Gegensatz zur strengen Gleichgültigkeit der Sieger: in den Köpfen dieser Bürgerschaftsvertreter spiegelt sich um Milde bittende Angst, fragende Skepsis oder ernste Niedergeschlagenheit. Vor dem ersten Knienden im Vordergrund etwas weiter nach links sieht man oberhalb des unteren Bildrandes eine Kanonenkugel von der Belagerung der Stadt her noch im Boden stecken.

 

zurück